Der Freitod lässt sich kaum verhindern

Wittlich · Drei Tage nach einem ersten, gescheiterten Selbstmordversuch hat sich gestern ein 37 Jahre alter Mann aus Ludwigshafen im Wittlicher Gefängnis-Krankenhaus das Leben genommen. Der Mann soll in der Nacht zum Samstag seine beiden Kinder ermordet und die Ehefrau lebensgefährlich verletzt haben. Wäre sein Freitod nicht zu verhindern gewesen? "Wohl kaum", sagen Experten.

„Wollte man einen Suizid im Gefängnis hundertprozentig vereiteln, müssten Sie alle Zellen per Video überwachen oder die Häftlinge in Räume ohne Gegenstände stecken und ihnen kaum Kleidungsstücke lassen. Das ist eine absolute Horror-Vorstellung und vollkommen unrealistisch“, sagt der Direktor des kriminologischen Seminars an der Uni Bonn, Torsten Verrel. Diese Meinung vertritt auch Franz Kohlhaas, in dessen Justizvollzugsanstalt Wittlich sich am Dienstagmorgen ein Untersuchungshäftling das Leben nahm.
Unrealistisch ist die Komplett-Überwachung vielleicht, aber in Ausnahmefällen notwendig. Deshalb gibt es in nahezu allen deutschen Gefängnissen sogenannte B-Zellen, besonders gesicherte Hafträume; gedacht für Gefangene, die Mithäftlinge oder sich gefährden. Die Zellen sind komplett gefliest und kameraüberwacht. Die Toilette ist in den Boden eingelassen; daneben gibt es Vorrichtungen, um die Häftlinge „zu fixieren“, wie es im Amtsdeutsch heißt.

Eine solche „B-Zelle“ gibt es auch im Wittlicher Gefängnis-Krankenhaus. Dass sie im Fall des bei einem Selbstmordversuch ums Leben gekommenen 37-jährigen Untersuchungshäftlings aus Ludwigshafen nicht genutzt wurde, hat laut Anstaltsleiter Kohlhaas einen einfachen Grund: „Es gab keinerlei Anzeichen für eine Suizidgefahr.“

Eine Antwort, die zunächst befremdlich klingen mag, hatte der Mann doch erst wenige Tage zuvor vergeblich versucht, sich das Leben zu nehmen. Ein Jogger hatte den 37-Jährigen am Samstagmittag mit schweren Schnittverletzungen an einem Ludwigshafener Badesee entdeckt. Wegen der Verletzungen war der Mann am Sonntag auch ins einzige rheinland-pfälzische Gefängnis-Krankenhaus nach Wittlich verlegt worden.

„Beim Aufnahmegespräch mit einem erfahrenen Beamten hat der Mann jegliche Selbsttötungs-Absicht verneint“, sagte gestern JVA-Leiter Franz Kohlhaas dem TV. Anschließend sei der 37-Jährige zweimal einem Arzt vorgestellt worden, der ebenfalls keine Suizid-Absichten habe feststellen können.

Trotzdem habe man den Ludwigshafener sicherheitshalber in einem Mehrbett-Krankenzimmer gemeinsam mit drei anderen Patienten untergebracht. Dadurch sei so etwas wie eine ständige Kontrolle gewährleistet gewesen.

Und noch ein Indiz spricht laut Kohlhaas dagegen, dass der Selbstmord des Mannes hätte vorhergesehen werden können: Der Ludwigshafener habe unter anderem Taschengeld beantragt. „Für uns ein Anzeichen, dass sich der Mann auf einen längeren Haft-Aufenthalt eingestellt hat“, sagt Kohlhaas.

Nach Angaben des Mainzer Justizministeriums nahmen sich in den rheinland-pfälzischen Gefängnissen im vergangenen Jahr fünf Menschen das Leben, in den beiden Vorjahren waren es jeweils sieben Häftlinge. Um Suizidgefährdungen von Häftlingen zu erkennen, werde das Personal geschult und fortgebildet.

Dass dadurch nicht jeder Selbsttötungsversuch hinter Gittern zu verhindern ist, hat der Suizid im Wittlicher Gefängnis-Krankenhaus gezeigt.

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