Der Kommissar und die Frauen

Hermeskeil · „Nach dem ersten Geschlechtsverkehr kann man die Frauen bei der Polizei doch sowieso vergessen.“ Was genau der Erste Hauptkommissar Siegfried A. damit sagen wollte, ist unklar. Die Konsequenzen sind dafür umso deutlicher: Er leitet die Polizeiinspektion Hermeskeil nicht mehr.

A. habe selbst darum gebeten, vom Chefposten in Hermeskeil entbunden zu werden – so schildert der Trierer Polizeipräsident Manfred Bitter die Situation. „Er wollte dem Druck entgehen, dem er sich aufgrund der Presse-Recherchen ausgesetzt sieht“, so Bitter. „Ich habe dieser Bitte entsprochen.“ Dann folgt der entscheidende Satz. „Der Vorwurf, Herr A. habe sich herabwürdigend über Polizeibeamtinnen geäußert, hat sich bestätigt.“

Die von Bitter erwähnten „Presse-Recherchen“ begannen mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen A., der die Polizeiinspektion Hermeskeil seit 1999 leitete. Ein Trierer Anwaltsbüro legte dem TV den Schriftverkehr mit dem Innenministerium vor, der sich um diese Beschwerde dreht.

Darin wird geschildert, die Erich-Kästner-Realschule Hermeskeil habe sich im Vorfeld der Berufsinformationsveranstaltungen für die neunten Klassen, die am 13. und 20. Mai stattfanden, an die Hermeskeiler Polizei gewandt. Eine Lehrerin habe den Ersten Hauptkommissar A. angerufen und darum gebeten, eine Polizistin zu schicken, die spezielle Fragen der Mädchen über die Polizeilaufbahn beantworten könne. Im Schreiben der Anwälte steht wörtlich: „Herr A. antwortete sinngemäß, dass man die Frauen nach dem ersten Geschlechtsverkehr eh bei der Polizei vergessen könne.“

„Ich kenne den Fall gar nicht“, sagte Schulleiter Hans-Joachim Gärtner auf Anfrage des TV. Seine Stellvertreterin Christa Breidert betont: „Ich habe mit dieser Sache nichts zu tun.“ Breidert bestätigt, dass es ein Gespräch zwischen A. und einer Lehrerin der Erich-Kästner-Realschule gegeben hat, will aber weder über die Identität dieser Lehrerin noch über den Inhalt des Gesprächs reden. „Die Polizei in Hermeskeil hat uns empfohlen, uns zu diesen Themen nicht öffentlich zu äußern“, sagt sie.

A. selbst ist krank geschrieben und für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Außerdem betont Polizeipräsident Bitter: „Ich bin der Ansprechpartner für die Presse.“ Er habe ein Disziplinarverfahren eingeleitet. „Herr A. hat den Vorwurf im Wesentlichen eingeräumt, die ihm konkret vorgeworfene Äußerung aber als aus dem Zusammenhang gerissen bezeichnet.“ Wohin A. versetzt wird, stehe noch nicht fest. Seine Nachfolge in Hermeskeil werde ein Auswahlverfahren regeln, bis dahin übernimmt sein Stellvertreter Franz Petry die Leitung.

Meinung

Absolut inakzeptabel

Von Jörg Pistorius

Die Bundespolizei sucht momentan wieder Nachwuchs. In der aktuellen Ausschreibung heißt es: „Bewerbungen von Frauen werden ausdrücklich begrüßt.“ Ein starker Kontrast zu den Vorgängen in Hermeskeil. Es wird wohl ein Geheimnis bleiben, wo der Zusammenhang zwischen Sex und der Eignung einer Frau für den Polizeidienst liegt. Siegfried A. hat jedenfalls bewiesen, dass er mit einer solchen Einstellung nicht in eine Führungsetage gehört. Es gibt keine Erklärung, warum und in welchem Kontext dieser Satz gefallen ist. Es gibt auch keine Entschuldigung bei den Polizistinnen, die A. auf unterstem Stammtisch-Niveau beleidigt hat. Und erstaunlicherweise reagiert das Polizeipräsidium erst jetzt nach der TV-Anfrage auf diese Situation, obwohl der Satz und die Dienstaufsichtsbeschwerde bereits Monate zurückliegen. Offenbar sah man keinen Handlungsbedarf, bevor diese Sache öffentlich wurde – unverständlich und absolut inakzeptabel.

j.pistorius@volksfreund.de

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