Gewalt gegen Kinder steigt dramatisch an

Mainz/Trier · Aufsehen erregende Fälle von Kindesmisshandlung und ein neues Kinderschutzgesetz haben die Verdachtsmeldungen bei Jugendämtern deutlich steigen lassen.

(win) Eine Kindstötung in der Vulkaneifel, ein ertränkter Säugling in Morbach, ein fast zu Tode geschütteltes Baby in Bitburg: Es sind tragische Ereignisse, die Menschen zunehmend für Kinderschicksale in ihrer näheren Umgebung sensibilisieren. Das seit sechs Monaten gültige Landes-Kinderschutzgesetz gibt zudem Hebammen, Kliniken oder Kinderärzten vor, bei Verdacht auf Misshandlung oder Vernachlässigung die Jugendämter zu informieren. Wurden 2006 in der Region Trier noch 30 Kinder und Jugendliche wegen Gefährdung oder auf eigenen Wunsch aus ihrer Familie genommen, waren es 2007 bereits 139.

Die Zahl dürfte weiter steigen. Auffälligkeiten werden deutlich häufiger und früher den Jugendämtern gemeldet, so die ersten Erfahrungen von Heinz Müller vom Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz mit dem neuen Gesetz. Liefen beim Jugendamt der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich früher zwei bis drei Meldungen im Monat ein, sind es nun so viele in einer Woche. Bereits mehrere Kinder wurden in Pflegefamilien oder in Heimen untergebracht. Einen Anstieg der Mitteilungen durch Polizei, Kindergarten, Schulen oder Nachbarschaft von rund 20 Prozent verzeichnet die Stadt Trier.

In Bitburg-Prüm hat sich die Zahl der Meldungen auf durchschnittlich fünf pro Monat verdoppelt. Entsprechend verdoppelt haben sich auch die Ausgaben für ambulante Hilfen. Zwei Drittel der gemeldeten Fälle haben allerdings keinen realen Hintergrund, so Heike Frankiewitsch von der Kreisverwaltung. Andere entpuppten sich jedoch als schwere Misshandlung. Das Gesetz bewährt sich in der Praxis und wird von Ärzten, Hebammen oder Kindergarten-Mitarbeitern gut angenommen, lautet das überwiegende Urteil.

Beste Erfahrungen mit einem Frühwarnsystem zum Kinderschutz hat der Landkreis Trier-Saarburg bei einem Pilotprojekt in der Verbandsgemeinde Ruwer gemacht: Behörden kooperieren eng, Erzieher in Kindergärten werden besonders im Erkennen von Auffälligkeiten geschult, und die Jugendämter gehen offensiv in Problem-Familien. „Wir müssen reagieren, bevor wirklich etwas passiert ist“, sagt Jugendamtsleiter Hans Schmitt. Das Projekt soll nun flächendeckend ausgeweitet werden.

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