"Nimm kein Taxi, ruf’ lieber den Papa an"

TRIER. Weil er eine junge Frau während der Fahrt mehrfach begrapscht hat, hat das Trierer Amtsgericht gestern einen 46-jährigen Taxiunternehmer zu einer 14-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Der Trierer hatte die Tat bis zuletzt bestritten.

Amtsrichter Helmut Reusch ist keiner, der gerne um den heißen Brei herum redet. Wo sich der ein oder andere Kollege in juristischen Fachtermini verlieren mag, wenn er ein Urteil begründet, spricht Richter Reusch lieber Klartext. Seine Ausführungen verstehen nicht nur die Juristen im Saal, sondern auch das Publikum. Das ist am zweiten Prozesstag gegen einen wegen sexueller Nötigung angeklagten Trierer Taxifahrer zahlreich vertreten. Weil viele Kollegen des Angeklagten darunter sind, könnte man fast den Eindruck gewinnen, ein Taxi sei an diesem Morgen unmöglich zu bekommen."In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten", hat Verteidiger Sven Collet kurz vor der Sitzungsunterbrechung gesagt und einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Begründung: Es gebe erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin.

Die Nebenklägerin ist 22 Jahre alt und hat die Ermittlungen erst ins Rollen gebracht, nachdem sie im Oktober 2005 bei der frühmorgendlichen Heimfahrt von einer Diskothek mehrmals von dem Taxifahrer begrapscht worden war. Nicht der erste Vorfall dieser Art, wie sich später herausstellt. Auch zwei weitere Frauen berichten am ersten Prozesstag von teils länger zurückliegenden Übergriffen des Taxi- fahrers.

Der 46-Jährige allerdings streitet alles ab, sieht sich als Opfer einer Verleumdungskampagne: "Ich habe das nicht gemacht. Und ich weiß nicht, warum ich hier sitze. Warum soll hier mit aller Gewalt meine Existenz ruiniert werden?"

Der Vorsitzende Richter greift in seiner Urteilsbegründung den Ball auf, den ihm der Verteidiger kurz zuvor zugeworfen hat. ",In dubio pro reo' gilt nur, wenn das Gericht Zweifel hat", sagt Helmut Reusch, "und genau das ist hier nicht der Fall: Wir haben überhaupt keine Zweifel, dass die junge Frau die Wahrheit gesagt hat." Und: "Das war kein Einzelfall, das war eine Masche." Besonders schlimm sei, dass die Übergriffe von einem Taxifahrer ausgegangen seien. Reusch: "Taxi, da denkt doch jeder, da bin ich sicher." Statt dessen würde wohl manche Mutter ihrer Tochter künftig raten: "Komm’ nicht mit dem Taxi heim, ruf’ lieber den Papi an." Der Angeklagte habe mit seinem Verhalten daher dem Ruf einer ganzen Branche geschadet. Deren Vertreter seien freilich nicht ganz unschuldig, meint der Richter. "Wenn’s allenthalben bekannt war, dass der Angeklagte grapscht: Warum hat man ihn dann nicht früher aus der Taxigenossenschaft ausgeschlossen", fragt Helmut Reusch in den Gerichtssaal. Die "Antwort": betretenes Schweigen. Ähnlich scharfes Geschütz fährt auch Nebenklage-Vertreterin Katrin Munsch auf: "In der Taxizentrale wusste man das und hat es in Kauf genommen", behauptet die Rechtsanwältin.

Neben der 14-monatigen Bewährungsstrafe machte das Gericht dem Taxifahrer die Auflage, in den nächsten Jahren keine weiblichen Fahrgäste mehr zu befördern. In die Verlegenheit kommt der 46-Jährige womöglich gar nicht erst, weil ihm die Stadt die Konzession entziehen dürfte.

Verteidiger Sven Collet kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.

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