Nürburgring: Durchsuchung bei Journalist nicht rechtens

Koblenz · Die Hausdurchsuchung bei einem Journalisten, der kritisch über den Nürburgring-Ausbau berichtet hatte, war nicht rechtens. Die Staatsanwaltschaft Koblenz darf deshalb auch die Unterlagen nicht weiter auswerten, die sie bei dem Mann gefunden hat.

(dpa) Einen entsprechenden Bericht der „Rhein-Zeitung“ bestätigte das Landgericht Koblenz.

Die Staatsanwaltschaft hatte im Juni wegen des Verdachts des Verrats von Geschäftsgeheimnissen bei dem Journalisten Computer, Kameras und Mobiltelefone beschlagnahmt. Auf eine Beschwerde des Journalisten hin hatte das Landgericht am 17. Juli die entsprechende Anordnung des Amtsgerichts Koblenz aufgehoben und bis zur endgültigen Entscheidung über die Beschwerde ausgesetzt.

In der nun ergangenen Entscheidung heißt es, es habe kein für eine Durchsuchung erforderlicher Anfangsverdacht vorgelegen.


Die offizielle Presse-Erklärung des Koblenzer Landgerichts:

Landgericht KoblenzDurchsuchungsanordnung gegen Journalisten aufgehoben Die 10. Strafkammer – 3. Wirtschaftstrafkammer – des Landgerichts Koblenz hat mit Beschluss vom 7. August 2009 den die Durchsuchung der Wohnung und Geschäftsräume eines Journalisten anordnenden Beschluss des Amtsgerichts Koblenz aufgehoben. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Koblenz erließ das Amtsgericht Koblenz am 3. Juni 2009 eine Durchsuchungsanordnung gegen den beschuldigten Journalisten. Gestützt wurde diese auf den Vorwurf, der Beschuldigte sei des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 17 des Unlauterer Wettbewerb-Gesetzes (UWG) sowie der unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke nach § 106 Urheberrechtsgesetz (UrhG) verdächtig. Nach dem damaligen Ermittlungsstand sollte der Beschuldigte ihm zugespielte Interna der Nürburgring GmbH veröffentlicht haben. Der Verdacht eines Verstoßes gegen das Urheberrecht wurde darauf gestützt, der Beschuldigte habe anlässlich einer Veranstaltung der Nürburgring GmbH einen Werbefilm mitgeschnitten und anschließend der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich gemacht. Der Beschuldigte legte gegen die Durchsuchungsanordnung Beschwerde ein und stellte zugleich den Antrag, die weitere Auswertung der sichergestellten Unterlagen durch die Staatsanwaltschaft bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung auszusetzen. Das Amtsgericht lehnte die beantragte Aussetzung der weiteren Vollziehung des Durchsuchungsbeschlusses ab. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten hatte die Kammer zunächst durch Beschluss vom 17. Juli 2009 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und gemäß § 307 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) die weitere Vollziehung der Durchsuchungsanordnung bis zur endgültigen Entscheidung über die Beschwerde ausgesetzt. Mit der nunmehr ergangenen Beschwerdeentscheidung hat das Landgericht Koblenz den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 3. Juni 2009 aufgehoben, da ein Anfangsverdacht für eine Straftat als gesetzliche Voraussetzung für eine Durchsuchungsanordnung nicht vorgelegen habe. Nach den Ausführungen der Kammer habe nicht von einem Anfangsverdacht für ein Vergehen nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG ausgegangen werden können. Der Beschuldigte habe weder zu Zwecken des Wettbewerbs noch aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, ein ihm nach einem Geheimnisverrat zugespieltes Geschäftsgeheimnis unbefugt verwertet oder jemandem mitgeteilt. Handele ein Vertreter der Medien im Rahmen des Funktionsbereiches der Meinungsbildung, Information oder Unterhaltung, könne von einem „Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs” nicht ausgegangen werden. Da der Beschuldigte zur Information der Öffentlichkeit tätig geworden sei, könne auch ein eigennütziges Verhalten nicht festgestellt werden. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung am 3. Juni 2009 habe es ferner keine Verdachtsmomente dafür gegeben, dass der Beschuldigte die ihm zugespielten Geschäftsgeheimnisse – über eine Presseveröffentlichung hinaus – an einen Wettbewerber der Nürburgring GmbH weitergegeben und damit zugunsten dieses Dritten verwendet habe. Schließlich sei davon auszugehen, dass es dem Beschuldigten nicht auf eine Schädigung der Nürburgring GmbH, sondern allein darauf angekommen sei, das Projekt entsprechend seiner bisherigen kritischen Berichterstattung zu stoppen oder zumindest die geplante Finanzierungsform zu verhindern. Auch ein Anfangsverdacht für eine unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke nach § 106 UrhG habe nicht vorgelegen. Bei der Beurteilung sei die Einschränkung des Urheberrechtsschutzes zugunsten der Rundfunk- und Fernsehberichterstattung und der Darstellung in Zeitungen, Zeitschriften und anderen Datenträgern im Interesse der Berichterstattung über Tagesereignisse nach § 50 UrhG zu berücksichtigen. Bei der Veranstaltung der Nürburgring GmbH unter Einladung von Mitgliedern der CDU-Landtagsfraktion sowie Vertretern der Presse habe es sich um ein solches Tagesereignis gehandelt. Die Präsentation des mitgeschnittenen Werbefilms im Zuge der Berichterstattung über die Veranstaltung sei daher urheberrechtlich nicht zu beanstanden. Zum gesetzlichen Hintergrund: § 102 Strafprozessordnung: Durchsuchung beim Verdächtigen Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. § 17 Unlauterer Wettbewerb-Gesetz: Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (1) Wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihr im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, 1. sich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis durch a) Anwendung technischer Mittel, b) Herstellung einer verkörperten Wiedergabe des Geheimnisses oder c) Wegnahme einer Sache, in der das Geheimnis verkörpert ist, unbefugt verschafft oder sichert oder 2. ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das er durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Mitteilungen oder durch eine eigene oder fremde Handlung nach Nummer 1 erlangt oder sich sonst unbefugt verschafft oder gesichert hat, unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt. ( ) § 50 Urheberrechtsgesetz: Berichterstattung über Tagesereignisse Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig. § 106 Urheberrechtsgesetz: Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke (1) Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. Landgericht Koblenz

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