Sozialgericht schiebt über 1800 Fälle vor sich her

Trier (wie) · Hilferuf aus dem Gericht: Die Trierer Sozialrichter sind völlig überlastet, 1800 unbearbeitete Verfahren schieben sie vor sich her, Kläger warten ein Jahr auf ihren Prozess. Der Grund: Zu wenig Richter für immer mehr Fälle.

Anneliese Schmitt (Name geändert) wartet seit über einem Jahr. Damals hat sie Klage beim Sozialgericht Trier eingereicht. Wegen einer Lungenkrankheit leidet sie unter Atemnot, sie kann kaum 20 Meter gehen ohne Pause. Sie hat beantragt, dass bei ihr eine außergewöhnliche Gehbehinderung anerkannt wird. Damit hätte sie das Recht, auch auf Behindertenparkplätzen zu parken, bräuchte etwa bis zum Arzt nicht mehr so weit zu laufen. Das Amt für soziale Angelegenheiten hat das abgelehnt. Dagegen hat die 68-Jährige aus der Nähe von Trier geklagt.

Doch bis ihr Fall zur Verhandlung kommt, kann es noch dauern. Der zuständige Richter hat ihr geschrieben, dass er allein für 500 anhängige Verfahren zuständig ist, hinzu kämen noch 490 weitere Fälle. Ein Hilferuf aus dem Sozialgericht. Von den sechs Richterstellen in Trier waren im vergangenen Jahr gerade mal dreieinhalb besetzt. Zwar hat sich die Personalsituation mittlerweile etwas entschärft. Seit April, als der neue Präsident des Sozialgerichts Jürgen Didong seinen Dienst in Trier angetreten hat, arbeiten zumindest wieder fünf Richter dort. Doch noch immer schieben die Juristen unbearbeitete „Altfälle“ vor sich her.

1800 Verfahren sind bei dem Gericht derzeit anhängig. Kläger müssen mindestens ein Jahr auf einen Prozess warten. „Wir arbeiten an unserem Limit. Mehr ist nicht drin“, sagt Didong. Anneliese Schmitts Anwalt, Jürgen Hein aus Trier, spricht von einem „unerträglichen Zustand“. Gerichtspräsident Didong hat Verständnis für den Unmut. Schließlich gehe es vor dem Sozialgericht oft um Bedürftige wie etwa Hartz-IV-Empfänger, die um jeden Cent kämpfen müssten.

Den Grund für den Missstand sieht der Gerichtspräsident in häufig zu schwammig formulierten Gesetzen, die in der Auslegung zu viel Spielraum ließen und dann zu Klagewellen führten. Beispiel: Die Zumutbarkeitsregeln von Hartz IV, also welcher Job Arbeitslosen zugemutet werden.

Laut Justizministerium gab es an den rheinland-pfälzischen Sozialgerichten im vergangenen Jahr mit 16.152 über 1000 neue Klagen mehr als noch 2005. Es gab aber bereits fast genausoviele unbearbeitete Klagen. Allerdings konnte noch nicht einmal die Hälfte aller Fälle erledigt werden. Ende 2007 wuchs daher die Zahl der anhängigen Verfahren vor den Sozialgerichten auf 18.000 an.

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