Trier: Viel Arbeit, wenig Zählbares beim Bürgerkongress

Bürgerbeteiligung ist kein leichtes Geschäft. Zumal dann, wenn sie unter dem Verdacht steht, sie solle der Politik nur ein Alibi für längst gefällte Entscheidungen (oder fortgesetzte Untätigkeit) liefern. Der Trierer Bürgerkongress zeigte gute Ansätze, aber keinen durchschlagenden Erfolg.

„Sind Sie Profi-Bürger oder Normalos?“ Die Frage des jungen Anzugträgers aus dem wissenschaftlichen Begleit-Team des Bürgerkongresses entlockt den beiden älteren Herrn an der Theke des Europahallen-Foyers ein amüsiertes Lachen. Noch-Landrat Roger Graef und sein Alt-Kollege Richard Groß gehören fraglos zu den „Profi-Bürgern“, so wie ADD-Präsident Mertes, Triers Kulturdezernent Holkenbrink, der Konzer Bürgermeister Manns und all die anderen Polit-Cracks, die sich - demonstrativ zurückhaltend, aber unübersehbar präsent - unters Bürger-Volk mischen.

Das besteht freilich, wie eine auf Publikums-Nachfrage durchgeführte Abstimmung ergibt, fast ohne Ausnahme zumindest aus Halbprofis. Ratsmitglieder, Parteifunktionäre, Verwaltungsmitarbeiter, Vereins-Engagierte geben sich durch Handzeichen zu erkennen. Würde man nach funktionslosen „Normalbürgern“ fragen, gingen wohl nur wenige Arme hoch.
Das hindert freilich niemanden an einer kritischen Auseinandersetzung mit der Verwaltungs-Praxis im Lande. Wollen in den ersten Runden noch viele ihrem Ärger über einzelne Vorgänge und persönliche Erlebnisse Luft machen, so geht es im Laufe des Tages immer näher ans Thema. Und auch die ungewohnte Arbeitsweise mit Einzelgruppen, deren Ergebnisse auf Flipcharts festgehalten, intern abgestimmt und dann im Plenum vorgetragen werden, gestaltet sich nach anfänglicher Beklommenheit immer lockerer.
Das Konzept der Heidelberger Agentur „cg-konzept“, die die Bürgerkongresse für die Landesregierung organisiert hat, scheint zu funktionieren. Auch die Pausen werden für vielfältige Diskussionen genutzt. Die Wissenschaftler von der Uni Koblenz-Landau können etliche Dutzend eng beschriebene Charts mit nach Hause nehmen.

Aber am Ende, als es Spitz auf Knopf geht und die Moderatoren das Publikum zum ersten Mal vor eine konkrete Wahl stellen, zeigt sich der Pferdefuß einer solchen offenen, nicht auf klare Entscheidungsprozesse ausgelegten Veranstaltung. Vor die Alternative gestellt, ein Votum zugunsten einer umfassenden Verwaltungs- und Gebietsreform oder zugunsten einer nicht näher beschriebenen „kommunalen Kooperation“ abzugeben, entscheiden sich die Bürger für ein konsequentes „sowohl als auch“.
Fasst man die Stellungnahmen aus den 15 Arbeitsgruppen zusammen, dann müsste die Landesregierung die Verwaltungsebenen drastisch reduzieren, dabei alles Funktionierende uneingeschränkt erhalten, den Kommunen die Kooperations-Entscheidungen freiwillig überlassen, aber sie notfalls auch zu ihrem Glück zwingen, der Gebietsreform den Vorrang geben und sich gleichzeitig um die wirklich wichtigen Dinge kümmern.
Man darf gespannt sein, wie die „Arbeits-Zellen“, die unter Beteiligung der Bürger den Reform-Prozess begleiten sollen, aus diesem Sammelsurium konkrete Handlungs-Empfehlungen destillieren. Die Landespolitik kann sich einstweilen aussuchen, was sie für richtig hält und sich dabei auf die Bürger-Meinung berufen. Ein Schelm, wer darin den Sinn der gesamten Bürgerkongress-Tournee sieht, die in Trier, der fünften Station, zu Ende ging.

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