Wenn die Milch auf Felder fließt…

Pronsfeld · In ganz Europa demonstrieren derzeit Milchbauern gegen die EU-Agrarpolitik. Auch die Eifel ist mit von der Partie. Etwa 300 Menschen sind gestern zu einer Protestkundgebung zusammengekommen.

Wenn die Milch auf Felder fließt…
Foto: Katharina Hammermann

Es riecht nach Gülle und Milch. Etwa 300 Milchbauern stehen bei Pronsfeld am Rand eines Feldes und sehen mit ernsten Mienen dabei zu, wie das Erzeugnis ihrer täglichen Arbeit auf dem Acker landet: Aus einem Dutzend Güllepumpen regnet es Milch. In Rinnsalen fließt sie durch die Stoppeln des abgeernteten Feldes – der Höhepunkt einer Protestkundgebung des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM). Vielerorts in Europa geschieht dieser Tage Ähnliches, denn das „European Milk Board“ hat zum Milchlieferstreit aufgerufen.

Vorausgegangen sind dieser Szene kämpferische Reden vor den Toren der Milch-Union Hocheifel, die diesmal, anders als im Jahr zuvor, nicht blockiert wird. Die Muh bekundet Verständnis für die Bauern. Von einem Lieferstreik hält sie allerdings nichts. Immer wieder fahren beladene Sammelwagen an den Demonstranten vorbei. Bei der Muh herrscht Alltag. Nicht so bei den Bauern.

„Wenn sich nichts ändert, werden viele in den nächsten Monaten gezwungen sein, ihre Betriebe aufzugeben“, sagt BDM-Landesvorsitzender Kurt Kootz. Die Schuld sieht er bei der EU-Agrarpolitik. Sie verfolgt das Ziel, die Milchquote bis 2015 zunächst anzuheben und dann abzuschaffen: Das bedeutet, dass mehr produziert werden darf und die Preise womöglich weiter sinken. Ein Szenario, das die Bauern gerne abwenden würden. Der Verband fordert unter anderem eine Monitoringstelle auf EU-Ebene, die Angebot und Nachfrage analysiert und Milchmengen festlegt. Der Milchpreis soll immer kostendeckend sein. Zudem fordert der BDM, die als Milchpulver oder Butter gelagerten Bestände abzubauen und kurzfristig fünf Prozent der gesamt produzierten Milchmenge „stillzulegen“, um den Markt zu entlasten.

Auch, wenn er es vielleicht gerne würde: Zum Lieferstreik aufrufen darf Kootz nicht, denn das verbietet dem BDM ein Gerichtsurteil. Weniger Scheu das zu tun, hat ein belgischer Kollege, der an diesem Morgen mit einer Abordnung von 26 Schleppern angereist ist. „Wir dürfen nicht mehr warten, jetzt ist die große Chance, in Europa was zu bewegen“, sagt er. Am heutigen Mittwoch sollen in seiner Heimat drei Millionen Liter – die gesamte Tagesproduktion der Wallonie – auf die Felder fließen. Die Menge klatscht. Darunter auch eine Bäuerin aus Sellerich. Jeden Monat lege ihre Familie 4000 Euro Erspartes drauf, um den Betrieb zu erhalten. Doch irgendwann sei das Ersparte zu Ende. „Es ist wirklich kurz vor Schluss“, sagt sie ernst, kurz bevor die Milch-Güllepumpen in Richtung Feld aufbrechen.

Mehr am Mittwoch in Ihrem TV.

Meinung: Schuld tragen viele
Von Katharina Hammermann
Wer hat Schuld an der Misere der Milchbauern? Die Antwort ist: viele. Die geizigen Verbraucher ebenso wie die Molkereien, die sich gegenseitig im Preis unterbieten und der Einzelhandel, der das schamlos ausnutzt, indem er die Milch so billig macht, dass es beim Kaufen wehtut. Und die Politik: Was für ein Wahnsinn, subventionierte Milchprodukte nach Afrika zu schicken, wo sie noch anderen die Lebensgrundlage rauben! Schuld hat aber auch so mancher Bauer selbst, der zu Zeiten, als der Milchpreis hoch war, auf Teufel komm raus produziert hat
k.hammermann@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort