Freispruch: Hunsrücker Rentner kehrt ins normale Leben zurück

Trier · Sechs Monate Untersuchungshaft, neun Monate Prozess vor dem Trierer Landgericht - dann der Freispruch. Die Vorwürfe gegen einen 65-Jährigen aus dem Hunsrück, er habe zwei Mädchen missbraucht, waren eine Lüge.

Trier. Die vergangenen 16 Monate dürfte ein 65-jähriger Rentner aus dem Hunsrück so schnell nicht vergessen. 16 Monate, die sein Leben auf den Kopf gestellt haben, ihn von einem bis dahin unbescholtenen Mann zu einem Angeklagten, einem vermeintlichen Kinderschänder gemacht haben.
Im April vorigen Jahres war der Mann verhaftet worden. Der Vorwurf: Er soll von Februar 2009 bis April 2010 zwei damals zwölfjährige Mädchen missbraucht haben. Eines der Mädchen, so die damals erhobenen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, soll der Hobby-Kaninchenzüchter in sein Haus gelockt haben - mit dem Versprechen, er wolle ihm die Jungtiere zeigen. Dort soll er das Mädchen mit Handfesseln gefesselt und missbraucht haben.
Zwei Monate später soll der Rentner, der in einem 1100-Einwohner-Dorf in der Nähe von Morbach (Bernkastel-Wittlich) wohnt, eines der Mädchen in sein Auto gezerrt und zu sich nach Hause gebracht haben, wo dem Mädchen dann die Flucht gelungen sei. Insgesamt fünf Fälle von schwerem sexuellen Missbrauch und sexueller Nötigung klagte die Staatsanwaltschaft an, obwohl der bislang unbescholtene Mann die Vorwürfe bestritt. Der Leitende Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer sprach damals von "sehr massiven Vorwürfen." Vorwürfe, die hauptsächlich auf den Aussagen eines der Mädchen beruhten.
Doch bereits am ersten Verhandlungstag im Oktober vergangenen Jahres gab es Zweifel an diesen Aussagen. Gutachter bescheinigten der 13-Jährigen, dass sie nicht die Wahrheit gesagt habe. Zu diesem Zeitpunkt saß der Rentner bereits fast ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Noch während des ersten Prozesstages wurde die Haft aufgehoben. Zwar war der Mann damit zunächst auf freiem Fuß, seine Unschuld aber noch nicht erwiesen.
Einer der Gutachter erkrankte im Laufe des Prozesses schwer. Das gesamte Verfahren musste neu aufgerollt werden. Am Mittwoch dieser Woche fiel das Urteil - nach 13 Verhandlungstagen. Der Rentner wurde freigesprochen (der TV berichtete). Der behauptete Missbrauch hat nach Überzeugung des Gerichts nicht stattgefunden. Auch die angebliche Entführung war wohl frei erfunden. Der Mann soll die Mädchen auch nicht in sein Haus gelockt haben. "Die Kinder sind freiwillig zu ihm gekommen, um die Kaninchen zu streicheln", sagt seine Rechtsanwältin Katrin Schmitt aus Bernkastel-Kues.
Erwiesene Unschuld


Der Rentner sei froh, dass nun seine Unschuld erwiesen sei. "Die vergangenen Monate waren schon eine enorme Belastung. Das wird sehr lange dauern, bis er das alles verdaut hat." Er versuche nun wieder, ein normales Leben zu führen. Was nicht so ganz einfach sein dürfte, denn die Mädchen leben im selben Dorf. Freunde und Nachbarn hätten sich aber nicht von dem in zahlreichen Vereinen engagierten Rentner abgewendet, sondern auch während des Prozesses zu ihm gehalten, erzählt die Anwältin. So habe der örtliche Gesangverein, in dem er Mitglied ist, während der Untersuchungshaft sogar angefragt, ob der Mann an einem Konzert teilnehmen dürfe - was aber abgelehnt wurde.
Das Gericht hat dem Rentner eine Haftentschädigung zugesprochen. Für jeden Tag im Gefängnis erhält er nun 25 Euro.

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