81 Millionen Euro teurer und der Zeitplan verschiebt sich

Ürzig/Zeltingen-Rachtig · Die Kritiker des Hochmoselübergangs fühlen sich bestätigt. Gestern teilte Infrastrukturstaatssekretär Günter Kern mit, dass das Projekt nicht 375, sondern 456 Millionen Euro kostet und sich zudem um zwei Jahre verzögert.

 Gerade mal drei der geplanten zehn Brückenpfeiler sind so weit fertig, da kommt die Nachricht, dass der Hochmoselübergang deutlich teurer wird als geplant. TV-Foto: Portaflug Föhren

Gerade mal drei der geplanten zehn Brückenpfeiler sind so weit fertig, da kommt die Nachricht, dass der Hochmoselübergang deutlich teurer wird als geplant. TV-Foto: Portaflug Föhren

Ürzig/Zeltingen-Rachtig. Nur ein halbes Jahr ist es her, da stand der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) mit Bauhelm auf dem Ürziger Hang. Dort, hoch über dem Moseltal, wo an der größten Brückenbaustelle Europas in der Ferne die ersten riesigen Pfeiler den Hunsrück emporkletterten, versicherte er einer Schar Journalisten mit fester Stimme, dass sich das Megaprojekt Hochmoselübergang weder verteuern noch verzögern werde. Aussagen, die sich gestern als wenig belastbar erwiesen. Das umstrittene Großprojekt wird nämlich zum einen deutlich später fertig als geplant: Statt 2016 sollen die ersten Autos nun erst 2018 in schwindligen 160 Metern Höhe die Mosel überqueren können. Zum anderen wird das Vorhaben deutlich teurer als angekündigt: Infrastrukturstaatssekretär Günter Kern sprach bei einem Besuch der Baustelle am gestrigen Donnerstag von voraussichtlich 456 Millionen Euro - das sind 81 Millionen Euro mehr als zuletzt kalkuliert (2012: 375 Millionen Euro) -, und es sind 126 Millionen Euro mehr als das, was noch bis 2011 als Bausumme genannt wurde (330 Millionen Euro). Das Bundesverkehrsministerium habe diese Entwicklung geprüft und ihr "wegen der plausiblen Gründe" zugestimmt. "Der Bund wird daher die Kosten übernehmen - und das Land nicht belastet", sagt Kern. Edeltrud Bayer, Chefin des Landesbetriebs Mobilität (LBM), führt verschiedene Gründe an, die eine Kostensteigerung bewirken. 40 Millionen zusätzliche Euro werden demnach ausgegeben, um den Stahlüberbau der Brücke mithilfe größerer Verstrebungen stabiler zu machen, als dies ursprünglich geplant war. Dies liegt laut Bayer zum einen an neuen Normen, die eingehalten werden müssen. Und zum anderen daran, dass das planende Ingenieurbüro im Entwurf nur teilweise berücksichtigt habe, welche Anforderungen der Wind an die 160 Meter hohe Brücke stellt. Die gestiegenen Kosten für Baumaterial und Löhne machen in Bayers Liste 15 Millionen Euro aus, acht Millionen fallen an, weil zusätzliche WCs, Entwässerungsanlagen und Fahrbahnen geplant wurden und bei Longkamp statt einer einfachen Auffahrt nun eine Anschlussstelle entsteht. Zudem hätten die nassen Sommer der vergangenen Jahre dazu geführt, dass die bröckeligen Böschungen entlang der Trasse mit Kalk und Zement befestigt werden mussten. Dies nennt der LBM auch als Grund für die Bauverzögerung. "Wir haben schon lange damit gerechnet, dass es deutlich teurer wird, und wir glauben auch, dass die Landesregierung das schon lange wusste", sagt Georg Laska von der Bürgervereinigung Pro Mosel, die das Bauvorhaben seit Jahren kritisiert. Die Gegner des Megaprojekts sind überzeugt, dass diese 81 Millionen Euro Kostensteigerung nur "ein Klacks" sind im Verhältnis zu dem, was noch kommen könnte. Der problematischste Bauabschnitt stehe ja noch aus. Damit bezieht sich Laska auf jenen Brückenteil, der mit Pfeilern im als Rutschgebiet bekannten Ürziger Hang ruhen soll. Obwohl ein vom obersten Landesgeologen Harald Ehses (siehe Text unten) gefordertes Gutachten inzwischen gezeigt hat, dass der schwierige geologische Untergrund technisch beherrschbar ist, glauben die Brückengegner, dass sich die Kosten am Ende auf rund eine Milliarde Euro belaufen werden. "Das ist eine utopische Zahl", sagt Kern. Es gebe keine Erkenntnisse, dass es in diese Richtung gehe. Auf ein Risiko weist die LBM-Chefin Bayer allerdings jetzt schon hin: Dabei handelt es sich um 20 Millionen Euro, die der Auftragnehmer für Untersuchungen zur Brückenstatik und andere strittige Punkte zusätzlich verlange. "Da wird es noch viele Gespräche geben", sagt Bayer. Das dürfte auch im rheinland-pfälzischen Landtag der Fall sein. Alexander Licht (CDU) kündigte gestern an, die Kostenexplosion dort zur Sprache zu bringen. Er wirft der Landesregierung Missmanagement vor. Meinung

Das wird noch viel teurerSeit 2011 sind die Kosten für das Megaprojekt Hochmoselübergang um 126 Millionen Euro gestiegen. 126 Millionen Euro mehr in nur dreieinhalb Jahren! Und das, obwohl die Vertreter der Landesregierung immer wieder versichert haben, dass alles bestens laufe, voll im Plan liege, nicht teurer werde, nicht länger dauere … Wer sich jetzt noch hinstellt und der Öffentlichkeit die gleiche Leier erzählt, ist entweder naiv oder ein Lügner. Der schwierigste Teil des Brückenbaus hat noch gar nicht begonnen. Ein Teil der Arbeiten ist noch nicht ausgeschrieben. Und der Baupreisindex der Zukunft ist so ungewiss wie das Wetter. Das Ganze wird also noch viel teurer als gestern verkündet. k.hammermann@volksfreund.deExtra

Die Bekanntgabe der neuesten Kostensteigerung könnte zu Spannungen in der rot-grünen Koalition führen. Die Grünen hatten sich im Koalitionsvertrag mit der SPD auf einen Kompromiss geeinigt: Hochmoselübergang ja, Mittelrheinbrücke nein. Trotz dieser Mitverantwortung übte die Landesvorsitzende der Grünen, Katharina Binz, gestern Kritik an Bauzeitverlängerung und Kostensteigerung. "Das SPD-Verkehrsministerium täte gut daran, sich nun voll auf den zügigen, sicheren und finanziell soliden Bau des Hochmoselübergangs zu konzentrieren, statt das nächste Großprojekt am Mittelrhein zu fordern." kah

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