"Antiquitäten, Drogen und Waffen"

Berlin · Die Terrororganisation "Islamischer Staat" mordet weiter, jetzt soll sie über 180 gefangene Soldaten hingerichtet haben. Louise Shelley (63) ist einer der renommiertesten Terrorexpertinnen, die US-Wissenschaftlerin lehrt in Virginia. Kürzlich veröffentlichte sie ein Buch zu den Verbindungen von Kriminalität, Korruption und Terrorismus.

 Louise Shelley.Foto: privat

Louise Shelley.Foto: privat

Berlin. Im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Hagen Strauß erklärt Shelley, woher die Kämpfer ihr Geld erhalten. Frau Shelley, ist der Islam nur ein Feigenblatt für den IS?Shelley: So weit würde ich nicht gehen. Aber es greift in der Tat zu kurz, nur auf die religiöse oder politische Ideologie des IS zu blicken. Die Grenzen zwischen Korruption, organisierter Kriminalität und Terrorismus sind bei dieser Organisation fließend. Der IS finanziert sich vor allem über Öl, hat aber die Kontrolle über viele Ölfelder wieder verloren. Ist das der Anfang vom Ende? Shelley: Nein, der IS ist nicht am Ende. Alle sprechen auch immer vom Öl, aber die Organisation hat viele Geldquellen: Antiquitäten, Drogenhandel, Waffen, illegaler Zigarettenhandel. Hinzu kommen Schutzgelder, Steuern oder Einnahmen aus Handel in den eroberten Gebieten. Dieser Faktor wächst, je mehr Territorium der IS beherrscht. Die Fokussierung auf Öl wirkt deshalb wie die falsche Behandlung einer Krankheit. Wie können die Geldquellen des IS trockengelegt werden? Shelley: Man muss wissen: Womit der IS sein Geld verdient, wird oft auf legalen Märkten verkauft. Das bedeutet, wir müssen die Lieferströme und -wege der Terroristen stärker in den Blick nehmen. Hier müssen wir ansetzen. Auch darf man dem IS die Terrorfinanzierung nicht erleichtern. Was meinen Sie damit konkret?Shelley: Wenn es beispielsweise bei Zigaretten nur noch Einheitsverpackungen gibt, wird das Fälschen leichter. Ohnehin ist das ja bedenklich, wir hatten schließlich gerade den weltweiten Tag des geistigen Eigentums. Aber dadurch wird mehr geschmuggelt. Das macht es schwieriger, die Finanzquellen für Terrorismus zurückzuverfolgen oder herauszufinden, wohin das Geld fließt. Gibt es aus ihrer Sicht eine Verstrickung des IS mit der Wirtschaft?Shelley: Die schlimmste Verstrickung ist die des Terrorismus mit der Korruption. Die Korruption ist die Grundlage für alles. Sie sorgt für die Geschäfte, mit denen die Verbrechen finanziert und ermöglicht werden. Der IS muss schließlich auch die vielen Kämpfer bezahlen, die ja leider auch aus Deutschland kommen. Reicht der militärische Ansatz im Kampf gegen den IS?Shelley: Nein. Der Ansatz muss breiter angelegt werden, um auch die Wirtschaftsstrukturen der Terroristen zu zerstören. Das heißt, wie beim Kampf gegen die Geldwäsche haben auch die Unternehmen weltweit eine Sorgfaltspflicht. Vor allem die, die im Öl-, im Antiquitätenhandel oder im Tabakbereich tätig sind. Sie müssen sicher sein, dass sie nicht mit zwielichtigen Partnern handeln. International spricht man hier übrigens von "Know your Customer", also "Kenne deinen Kunden". hasExtra

Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben im Irak 185 Soldaten der Regierungstruppen nach ihrer Gefangennahme hingerichtet. Unter den Opfern seien auch General Hassan Abbas Tufan, der Kommandeur der Ersten Division der irakischen Streitkräfte, sowie ein Brigadekommandeur und weitere Offiziere gewesen, bestätigten Sicherheitskreise am Samstag in Bagdad. Die Massenhinrichtungen erfolgten, nachdem die IS-Milizionäre am Vortag eine irakische Militärbasis am Tharthar-See 70 Kilometer nördlich von Ramadi eingenommen hatten. Den Verteidigern sei die Munition ausgegangen, hieß es. Der Verlust einer kompletten Militärbasis sowie die Gefangennahme und Tötung eines Divisionskommandeurs werfen nach Meinung von Beobachtern ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten, mit denen die irakischen Streitkräfte bei ihren Aktionen in Anbar zu kämpfen haben. dpaExtra

Louise Shelley (63) ist Professorin am Fachbereich Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen an der George Mason University in Fairfax, im Bundesstaat Virginia. Dort ist sie zudem Leiterin und Gründerin des "Terrorism, Transnational Crime and Corruption Center". red

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