Bistums-Personalakten bald keine Geheimsache mehr? Ruf nach Aufklärung und Transparenz

Die Deutsche Bischofskonferenz und die Deutsche Ordensoberenkonferenz werden in Kürze Forschungsprojekte zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Auftrag geben. Das teilte Stephan Kronenburg, Pressesprecher des Bistums Trier, auf TV-Anfrage mit. Im Rahmen dieser Projekte ist es möglich, dass es auch im Bistum Trier zur Sichtung von Personalakten kommen wird. Heike S. (Name geändert) war beim ersten Treffen der Missbrauchsopfer des Bistums Trier mit Bischof Stephan Ackermann zusammengebrochen. Am zweiten Treffen, das vorgestern stattfand, konnte und wollte sie nicht teilnehmen. Stattdessen demonstrierte sie mit weiteren Opfern vor dem Trierer Dom gegen die ihrer Meinung nach mangelhafte Aufklärungsarbeit der katholischen Kirche.

Trier. Genau vor einem Jahr hatte das Bistum Trier eine systematische Untersuchung aller Personalakten von Geistlichen und kirchlichen Angestellten im Bistum Trier noch ausgeschlossen. Nun könnte es anders kommen: Laut Bistums-Sprecher Stephan Kronenburg werden die Deutsche Bischofskonferenz und die Deutsche Ordensoberenkonferenz in Kürze Forschungsprojekte zum sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche in Auftrag geben.

"Dabei wird geprüft, in welchem Umfang auch Aktenmaterial gesichtet werden muss, um zu gesicherten Erkenntnissen zu kommen", teilte Kronenburg mit. In diesem Zusammenhang sei es möglich, dass es auch im Bistum Trier zur Sichtung von Akten kommen werde.

Jahrzehntelange Sperrfrist



Diese Forderung wird auch von einigen Missbrauchsopfern erhoben - bislang allerdings ohne Erfolg. "Bisher hatte noch kein Opfer im Bistum Trier Einsicht in die Akten", sagt Kronenburg. Nach Angaben des Sprechers hat das Bistum inzwischen mit 44 Opfern Kontakt.

Knapp die Hälfte der Betroffenen traf sich am Montagabend mit dem Trierer Bischof Stephan Ackermann. Es war bereits das zweite Gespräch, zu dem der kirchliche Missbrauchsbeauftragte Opfer aus seinem Bistum eingeladen hatte.

Nach Angaben des Bistums ging es bei dem rund anderthalbstündigen Gespräch im Amtssitz des Bischofs vor allem um die seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle von der katholischen Kirche ergriffenen Maßnahmen. "Das Treffen fand in einer ruhigen und offenen Atmosphäre statt", sagte Bischofssprecher Stephan Kronenburg unserer Zeitung.

Einige Missbrauchsopfer waren dem Treffen allerdings aus Protest ferngeblieben und hatten stattdessen vor dem Trierer Dom gegen die ihrer Ansicht nach anhaltende Vertuschungspraxis der katholischen Kirche demon striert (TV von gestern). Ein Stein des Anstoßes ist, dass das Bistum Betroffenen bislang keinen Einblick in die Personalakten ihrer Peiniger gewährt hat.

Bei der Gewährung von Akteneinsicht seien die datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten, sagt Bistumssprecher Stephan Kronenburg. "Nach den kirchlichen und staatlichen Bestimmungen zum Umgang mit den Akten oder dem Schriftgut sind bestimmte Fristen einzuhalten."

Die Sperrfrist betrage nach dem Tod der jeweils betroffenen Person 30 Jahre. Erst nach Ablauf dieser Frist könne Einsicht gewährt werden. Dies sei in jedem Einzelfall zu prüfen, sagt Kronenburg.

Offenbar scheint es aber auch dann schwierig zu sein, einen Blick in Personalakten zu werfen, wenn die Sperrfrist bereits abgelaufen ist. "Obwohl der katholische Priester, der mich jahrelang als Kind sexuell missbraucht hat, schon über 30 Jahre tot ist, konnte ich seine Akte bislang nicht einsehen", berichtet ein Opfer, das anonym bleiben möchte, unserer Zeitung (siehe nebenstehenden Artikel).

Seit Wochen pendele sie zwischen Bischöflichem Generalvikariat und Bistumsarchiv - bisher, ohne die Akte eingesehen zu haben. Trier. "Der Missbrauch an sich war das erste Verbrechen, das jahrzehntelange Schweigen und Vertuschen das zweite, und nun müssen wir Opfer scheinbar noch ein drittes Verbrechen überstehen: das jetzige Verhalten der katholischen Kirche", sagt Heike S. Im Alter von drei bis sechs Jahren war sie von einem Priester wiederholt sexuell missbraucht worden. "Er hatte immer wieder gesagt, ich solle Gott gehorchen. Es sei alles sein Wille. Ich müsse Prüfungen über mich ergehen lassen, dann würde der liebe Gott mich mögen", erinnert sich die 38-Jährige an die Worte des Täters, um sie als Kindergartenkind zum Schweigen zu bringen. Sowohl die Übergriffe als auch das Redeverbot haben Heike S. krank gemacht, sie ist mittlerweile in Rente. Der Täter lebt nicht mehr. Beim ersten Treffen mit Bischof Stephan Ackermann im vergangenen Jahr war sie zusammengebrochen, als sie dem Bischof die Hand reichen wollte. "In einem Nebenraum wurde ich stabilisiert, an dem Gespräch konnte ich nicht teilnehmen", sagt sie. Am zweiten Gespräch wollte Heike S. nicht teilnehmen: "Ich habe das Gefühl, wieder in dieser Ohnmacht zu sein und nicht gehört zu werden." Stattdessen demonstrierte sie am Montagabend gemeinsam mit einigen anderen Betroffenen vor dem Trierer Dom; gegen den ihrer Meinung nach mangelhaften Aufklärungswillen im Bistum Trier. "Wir wollen, dass vollständig aufgeklärt wird. Dass die Akten eingesehen werden können und dass uns auch gesagt wird, wer damals vertuscht hat", betont Heike S.

Die 38-Jährige ist felsenfest davon überzeugt, dass echte Prävention erst gelingen kann, "wenn die Vergangenheit lückenlos aufgearbeitet ist". Davon sei die Kirche aber noch weit entfernt. kat

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