Chinesische Asylbewerber: Misshandlungs-Skandal oder völlig normal?

TRIER. Wirbel um eine angebliche Misshandlung von abgelehnten chinesischen Asylbewerbern in Trier. Bei einer Zwangsvorführung zur Feststellung ihrer Personalien sollen sie von den chinesischen "Experten" bedroht und einer von ihnen getreten worden sein.

Was hat sich tatsächlich am 19. Juni in der so genannten Clearingstelle für Passbeschaffung und Flugabschiebung in der Trierer Dasbachstraße 10 abgespielt? Fest steht: Am 19. Juni wurden mehrere ausreisepflichtige chinesische Asylbewerber aus ganz Rheinland-Pfalz in der Clearingstelle in Trier "chinesischen Experten" (so Innenminister Walter Zuber) vorgeführt. Solche Zwangsvorführungen werden angeordnet, wenn abgelehnte Asylbewerber keinen Pass oder sonstigen Nachweis ihrer Identität haben. 850 solcher Vorführungen gab es 2002 in der Trierer Stelle, die für ganz Rheinland-Pfalz zuständig ist. Die Asylbewerber wurden am 19. Juni den "Experten", von denen niemand weiß, ob es sich um Botschaftsangehörige oder eigens aus China angereiste Polizisten handelt, verhört - hinter verschlossenen Türen. Deutsche Behördenvertreter waren nicht dabei. "Chinesisches Gebiet" mitten in Rheinland-Pfalz

Einer der Verhörten berichtete laut Pro Asyl, er sei aufgefordert worden, die Fragen zu beantworten, "ansonsten könnte ich diesen Raum nicht verlassen". Ein anderer berichtet davon, dass er beim Verhör getreten und am Knie verletzt worden sei. Anschließend sei er von einem deutschen Polizisten in einen Kellerraum gebracht worden, "ein winziges Zimmer mit kleinem Fenster." Mitarbeitern des Multikulturellen Zentrums, die auf Wunsch der Asylbewerber anwesend waren, wurde nach eigener Auskunft verweigert, bei den Gesprächen dabei zu sein mit dem Hinweis, dass es sich beim Verhörzimmer um "chinesisches Gebiet" handele. Laut Mainzer Innenministerium gibt es keine Hinweise auf besondere Vorkommnisse an diesem 19. Juni. "Die Maßnahme" sei in "sachlich ruhiger Atmosphäre" verlaufen und außerdem entspreche sie "den Gepflogenheiten im konsularischen Verkehr und stellt keinerlei Besonderheit dar", schrieb Zuber am 15. Juli dem Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz, der sich zuvor beschwert hatte. Der einzige, der sagen könnte, was sich tatsächlich am 19. Juni in der Clearingstelle abgespielt hat, schwieg gestern: Behördenleiter Dietmar Martini-Emden. Im Innenministerium hieß es lediglich: Man stehe nach wie vor hinter ihm. Dabei steht der Behördenleiter schon länger in der Kritik. So soll im vorletzten Jahr in der Clearingstelle ein armenischer Asylbewerbers bei einer Anhörung von einem Behörden-Mitarbeiter aufgefordert worden sein, auf der Toilette seinen Penis zu zeigen, damit kontrolliert werden könne, ob er beschnitten sei. Man wollte seine Religionszugehörigkeit feststellen. Martini-Emden hat dieses Vorgehen verteidigt. Pro Asyl spricht von "außergewöhnlichen Zuständen" in der Trierer Clearingstelle. Bernd Mesovic von Pro Asyl fordert eine Suspendierung von Martini-Emden - zumindest bis geklärt ist, was am 19. Juni tatsächlich passiert sei. Die Grünen wollen die Angelegenheit in den Innenausschuss des Landtags bringen. Am 8. Juli ging eine Strafanzeige gegen die Clearingstelle bei der Trierer Staatsanwaltschaft ein. Laut Oberstaatsanwalt Roos werden jedoch keine Ermittlungen gegen Behördenleiter Martini-Emden aufgenommen. Ob die Vorwürfe gegen die "chinesischen Experten" Bestand haben, werde noch geprüft. Die Anzeige enthalte Widersprüche, die ausgeräumt werden müssten. So bestehen Zweifel, dass die Wunde am Knie eines der Betroffenen tatsächlich von einem Tritt stammt. Handelt es sich bei den "Experten" um Botschaftsangehörige, wird ohnehin nicht gegen sie ermittelt, da sie als Diplomaten Immunität genießen. Rechtsexperten gehen davon aus, dass es keine Anklage geben wird. Die Vorwürfe sein schwer nachweisbar.

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