Deutscher Provinz-Flughafen gelangt in chinesische Hände

Hahn · Chinesen wollen dem flügellahmen Airport Hahn zum Höhenflug verhelfen. Sie kündigen einen Ausbau von Fracht- und Passagiergeschäft an. Auch die Zahl der Mitarbeiter soll wachsen. Teilen alle ihren Optimismus?

Hahn (dpa) - Chinesen greifen auch nach deutschen Flughäfen. Die Shanghai Yiqian Trading Company (SYT) hat sich die 82,5 Prozent der Anteile am Hunsrück-Flughafen von Rheinland-Pfalz mit einem notariell beurkundeten Kaufvertrag gesichert. Die übrigen 17,5 Prozent des Landes Hessen sollen bald folgen.

Warum kauft die SYT einen defizitären und abgelegenen Airport?

Ihr Generalbevollmächtigter Yu Tao Chou sagt: „Ich habe mein Herz an den Flughafen Hahn verloren.“ Als Pilot habe er den Hunsrück schon öfters angeflogen. Der 120 Kilometer entfernte Airport Frankfurt am Main sei ausgelastet und der Hahn habe großes Potenzial. Das rheinland-pfälzische Innenministerium erinnert an die begehrte seltene Nachtfluggenehmigung und die vierspurige Anbindung der B 50.

Was plant der chinesische Investor im Hunsrück?

Chou kündigt einen deutlichen Ausbau des Frachtgeschäfts an. Die SYT sei im Gespräch mit der ebenfalls chinesischen Frachtfluggesellschaft Yangtze River Express, damit diese an den Airport zurückkehre. Sie hatte den Hunsrück 2015 verlassen und so einen massiven Einbruch im Frachtgeschäft verursacht. Nun aber sagt Chou: „Deren Vertrag mit (dem Flughafen) München wird bald enden.“ Zudem sei an mehr Flüge mit leicht verderblichen Waren wie Lebensmitteln gedacht. Langfristig solle auch das Passagiergeschäft ausgebaut werden. Die 320-köpfige Hahn-Belegschaft solle mittelfristig vergrößert werden. Für den strukturschwachen Hunsrück wäre das positiv.

Kennt sich die SYT mit der Luftfahrt aus?

Ja, sagt sie. Unterstützt wird sie laut Chou von der Shanghai Guo Qing Investment Company. Diese sei das führende inländische Bauunternehmen in Chinam, baue auch Flughafengebäude und sei zudem in der Logistik engagiert. Der chinesische Staat sei nicht an dem Hahn-Deal beteiligt.

Wie sieht es aus mit den Finanzen?

Der ehemalige US-Fliegerhorst Hahn fliegt seit Jahren in die roten Zahlen. Über einen rheinland-pfälzischen Nachtragshaushalt hat er 120 Millionen Euro erhalten. Dieses Jahr wird bislang ein Defizit von rund 16 Millionen Euro erwartet. Der Verkaufspreis beläuft sich nach offiziellen Angaben auf einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Hinter den Kulissen sind nur zehn bis zwölf Millionen Euro inklusive der hessischen Anteile im Gespräch.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) bekräftigt, der Hahn könne bis 2024 mit Betriebs- und Investitionsbeihilfen sowie Zuschüssen für die Sicherheit in einer Gesamthöhe von rund 70 Millionen Euro Steuergeld rechnen. Erwartet würden Investitionen von je 22 Millionen Euro von Bundesland und Investor - insgesamt also 44 Millionen Euro. Innenstaatssekretär Randolf Stich (SPD) sagt, es sei das auch das in Gesprächen mit der EU-Kommission formulierte Ziel, in die schwarzen Zahlen zu gelangen. Wann, bleibt unklar. Hessen überweist kein Steuergeld.

Wann ist der Verkauf endgültig in trockenen Tüchern?

Lewentz sagt, kurz vor oder nach der Sommerpause. Die Zustimmung der Politik gilt als so gut wie sicher. In Rheinland-Pfalz muss der Landtag ein von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) angekündigtes Hahn-Veräußerungsgesetz billigen. Die oppositionelle CDU lässt offen, ob sie zustimmt. In Hessen müssen das Kabinett und der Haushaltsausschuss des Landtags den geplanten Verkauf der Anteile gutheißen.

Was sagt die Politik zu den schwierigen Erfahrungen mit chinesischen Investoren bei den Flughäfen Schwerin-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern und Lübeck?

Minister Lewentz erklärt: „Das ist natürlich auch bei uns bemerkt worden.“ Sein Staatssekretär Stich verweist auf eine Bankbestätigung der Bank of China: Der Investor sei ausreichend liquide. Die für den Hahn-Verkauf verantwortliche Beratungsgesellschaft KPMG betont, die Flughäfen Parchim und Lübeck seien „sehr spezielle Sachverhalte“. Im Hunsrück gehe es dagegen um sichere, auch von der EU-Kommission geprüfte Business-Pläne.

Warum haben es Regionalflughäfen allgemein schwerer?

Zum einen, weil sie häufig in eher dünn besiedelten Regionen liegen. Ist ein Airport an einer Metropole, hat er ein viel größeres direktes Einzugspotenzial. Nach Einschätzung der Frankfurter Luftfahrtexpertin Yvonne Ziegler gibt es fast keinen Regionalflughafen in Deutschland, der schwarze Zahlen schreibt. Man müsse aber auch politisch abwägen - die Airports seien für die Wirtschaft einer Region wichtig. Sie ging davon aus, dass in den nächsten Jahren einige weitere an Investoren verkauft oder dichtmachen würden. Auch weil es Anliegen aller Bundesländer sei, in Zeiten der Schuldenbremse ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. An fast allen Regionalflughäfen seien Länder oder Städte beteiligt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort