Experten: Immer mehr Kinder können nicht schwimmen

Idar-Oberstein · Die Zahl ist alarmierend: Jeder dritte Grundschüler kann gar nicht oder nur unsicher schwimmen. Der Anteil an Nichtschwimmern könnte sogar weiter wachsen, meinen Experten.

(dpa/lrs) - Rund ein Drittel der Grundschulkinder in Rheinland-Pfalz kann nach Einschätzung von Experten nicht oder nur unsicher schwimmen. „Das ist ein Problem, das sogar größer wird“, sagte der Leiter der Wasserwacht Rheinland-Pfalz des Deutschen Roten Kreuzes, Ralf Wahn, der Deutschen Presse-Agentur. Ein Grund dafür sei ein wachsender Mangel an öffentlichen Bädern. Hinzu komme, dass an den Grundschulen immer seltener Schwimm-Unterricht angeboten werde. „Schwimmen als Grundvoraussetzung wie Fahrradfahren gibt es bei den Zehnjährigen nicht mehr“, sagte Wahn.

Der Nichtschwimmeranteil bei den Kindern werde derzeit auf rund 25 Prozent (ein Viertel) geschätzt. Dieser werde weiter steigen: Man könne davon ausgehen, dass von den Flüchtlingskindern, die nach Rheinland-Pfalz kommen, die Hälfte bis drei Viertel nicht schwimmen könne, sagte Wahn in Idar-Oberstein (Kreis Birkenfeld). „Sie haben das in ihrer Heimat nicht gelernt.“ Sie seien regelmäßige Besucher von Schwimmkursen, auch im Jugendlichenalter.

Die Nachfrage nach Schwimmkursen sei sehr groß, berichtete Wahn. In Idar-Oberstein beispielsweise stünden derzeit bei den Anfängerkursen fast 60 Kinder auf der Warteliste. Da es immer weniger öffentliche Bäder gebe, hätten die Vereine Probleme, dort Zeiten für Kurse zu bekommen. Außerdem seien Lehrschwimmbecken zunehmend von Schließung betroffen, weil sie in die Jahre gekommen seien.

Von einem großen Andrang bei Schwimmkursen berichtet auch die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Rheinland-Pfalz. „Teilweise gibt es Wartezeiten von ein bis zwei Jahren“, sagte DLRG-Sprecher Marco Vogt. Viele Eltern seien sensibilisierter als vor zehn Jahren und suchten „händeringend“ nach Kursen für ihre Kinder.

„Wo aber kein Bad mehr vorhanden ist, kann ich Kindern nicht schwimmen beibringen“, sagte DRLG-Sprecher Andreas Lerg. In Badeseen oder Flüssen sei dies nicht möglich. Nach einer jüngsten bundesweiten Erhebung der DLRG kann jedes zweite Kind unter zehn Jahren nicht richtig schwimmen.

Nach Angaben der DLRG ertranken im vergangenen Jahr 19 Menschen in Rheinland-Pfalz. Das waren neun mehr als ein Jahr zuvor, sagte Vogt. Im Saarland kamen sieben Menschen ums Leben. Bundesweit waren es laut Statistik 488 - darunter 27 Flüchtlinge. Die meisten Menschen ertranken in unbewachten Binnengewässern - in Flüssen, Bächen, Seen und Teichen.

In sogenannten Erlebnisbädern, die in den vergangenen Jahren meist von privater Hand gebaut worden sind, sei „das Schwimmen dagegen eher Nebensache“, sagte Wahn. Da stehe vielmehr Baden und Spaß im Vordergrund: Auf Rutschen, in Whirlpools oder in Strömungskanälen. Vereine nutzten Erlebnisbäder eher selten.

Schwimmen sei heute ein Freizeitangebot unter vielen. Man dürfe aber nicht vergessen, dass jeder Nichtschwimmer eine Gefahrenquelle sei. Immer wieder passierten Badeunfälle: „Jedes Jahr ertrinken Kinder - nicht nur in Seen, sondern auch in Bädern“, sagte Wahn.

Schwimmen lernen könne man in jedem Alter, betonte Wahn. „Auch wenn es Überwindung kostet.“ Die älteste Schwimmschülerin, die sie in Idar-Oberstein je gehabt hätten, sei 75 Jahre alt gewesen.

Das Saarland hat es sich die Initiative "Wir im Verein mit dir e.V" in Kooperation mit dem Landessportbund und dem Landesinstitut für präventives Handeln zur Aufgabe gemacht, die Schwimmfähigkeit von Kindern zu verbessern. So findet am Sonntag, 5. Juni, der erste landesweite "Tag des Schwimmens" statt. Weitere Informationen unter www.sicherschwimmenimsaarland.de

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