Franziskus als unfreiwilliger Wahlkampfhelfer

Trier/Mainz · Auf meterhohen Stellwänden ist überall in Rheinland-Pfalz Papst Franziskus zu sehen. Kommt das Kirchenoberhaupt etwa nach Trier oder Mainz? Mitnichten - es ist eine Wahlkampfaktion der Linkspartei. Sie sorgt on- wie offline für Diskussionen.

Trier/Mainz. Überall fröhliche Gesichter. Eine strahlende Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hier, eine nicht weniger freundlich dreinblickende Her-ausforderin Julia Klöckner (CDU) dort. An jedem Laternenmast, an jeder Straßenecke künden Plakate davon, dass am 13. März in Rheinland-Pfalz ein neuer Landtag gewählt wird.
Nur ein Plakat ist so ganz anders als die übrigen, dort lächelt niemand - der Abgebildete schaut streng, fast düster drein. Es ist Papst Franziskus - kein Karnevalsscherz. Der 13. März ist übrigens genau der Tag, an dem er 2013 gewählt wurde. Obwohl er nun auf dem Großflächenplakat der Linkspartei zu sehen ist, will der Papst nicht in den Landtag.
Ende Januar wurde die Kampagne der Linkspartei vorgestellt, seit wenigen Tagen wird nun großflächig das Plakat aufgestellt. Vor rotem Hintergrund sieht man den weiß gekleideten Papst in vollem Ornat, er trägt Mitra und einen goldenen Kreuzstab. In schwarzer Schrift auf weißem Grund prangt sein Zitat: "Wenn die Politik wirklich den Menschen dienen soll, darf sie nicht Sklave der Wirtschaft und Finanzwelt sein."
Auch am Innenstadtrand von Trier steht eine solche Stellwand. Eine Mittfünfzigerin steht davor und sagt: "Ich finde es nicht gut, dass er da abgebildet ist. Ich denke, die Linke hat mit dem Papst nichts am Hut." Eine ältere Frau findet das Plakat einfach nur "pardon, scheiße", denn die Parteien machten für die kleinen Leute nichts - "goar neist", wie der Trierer sagt. Und der Papst, sagt die Wutbürgerin, "der könnte auch mal seinen Geldbeutel aufmachen, statt nur zu betteln, der hat ja genug Geld im Vatikan." Ein anderer Passant, Ende 50, "katholisch, nicht links", findet die Aussage "in Ordnung". Es ist ein Zitat aus der Papstrede vor dem US-Kongress im vorigen September. Vor den Politikern der Weltmacht geißelte Franziskus damals die "ungerechten Strukturen" des Kapitalismus. Für diese Kritik an der Wirtschaftsordnung hat der Argentinier in den fast drei Jahren seiner Amtszeit viele Fans im linken Lager gewonnen.
Längst gibt es vielerorts Arbeitsgruppen von Linkspartei-Mitgliedern, die zugleich aktive Christen sind. Sie laden zu Diskussionen über die Enzykliken des Papstes ein.Landtagswahl 2016


Nun klingt der Linke-Landesverband Rheinland-Pfalz fast katholisch, wenn er auf seiner Homepage kundtut: "Wir rufen Franziskus als Zeugen auf und lassen ihn zu Wort kommen." Partei wie Papst seien "gegen die unkontrollierten Finanzmärkte, für eine stärkere Besteuerung von Reichen und eine soziale Politik".
Aus dem saarländischen Nachbarverband kommt Lob für die Aktion. Die Linke sei die einzige im Bundestag vertretene Partei, "die die Kritik des Papstes an unserer Wirtschaftsordnung vorbehaltlos unterstützt", sagt Oskar Lafontaine, Anfang 70, katholisch, Vorsitzender der Linken im dortigen Landtag. Eine Woche nach Kampagnenstart berichtet die Vorsitzende der rheinland-pfälzischen Linken, Katrin Werner (Trier), von einer großen Resonanz und einem "deutlich positiven Feedback" in sozialen Medien: "Allein bei Facebook hat das Plakat über 500 000 Benutzer erreicht und wurde mehr als 1200- mal geteilt."
Dürfen die das überhaupt? Hätte man den Papst fragen müssen? Ist der Vatikan nicht eigentlich sehr strikt mit den Bildrechten? Dazu gibt es derzeit keine klaren Aussagen. Und wie reagiert die Kirche? Aus offiziellen Kreisen heißt es nur: "Kein Kommentar". Eine kirchliche Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht nennen will, hat spontan geschmunzelt, wie sie sagt: "Ich finde das gut. Mir ist noch mal die Radikalität der Botschaft von Papst Franziskus aufgefallen, nämlich an die Wurzel und die Ursachen des Elends zu gehen."
Aber wird der Papst durch die Wahlkampfaktion nicht mitten in die politische Arena gezogen? "Das glaube ich nicht", sagt die Mitarbeiterin. Die Linken versuchten halt, eine Koalition mit dem Papst bei manchen Themen herzustellen. Eine Nähe der Kirche gebe es ja - je nach Thema - zu vielen Parteien. Ein anderer Kirchenangestellter sieht auf dem Plakat "eine inhaltliche Aussage von Franziskus, zu der ich stehe". Und doch habe die Wahlkampfaktion einen Beigeschmack.

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