Gema-Marketing-Direktorin: „Es werden immer wieder falsche Infos gestreut“

Trier · Ursula Goebel verteidigt im Interview mit volksfreund.de die Tarifreform der Gema

 Ursula Goebel, Direktorin Marketing und Leitung Kommunikation & PR bei der Gema in München

Ursula Goebel, Direktorin Marketing und Leitung Kommunikation & PR bei der Gema in München

Foto: Florian Jaenicke

Heftiger Gegenwind von vielen Seiten: Die Verwertungsgesellschaft Gema hatte im März mit der einseitig veröffentlichten Tarifreform wegen teilweise drastischer Erhöhungen viele Clubbetreiber und Discogänger auf die Barrikaden gebracht. Clubbetreiber befürchten im nächsten Jahr ein großflächiges Discosterben. Damit nicht genug: Auch für Stadtfeste und Sportfeste soll es teurer werden, eine Einigung zwischen Gema und dem Videoportal Youtube ist zudem nicht in Sicht. Mit der Initiative C3S bahnt sich zudem eine Konkurrenz für den Quasi-Monopolisten Gema an, der in Deutschland 65000 Komponisten, Textdichter und Verleger vertritt und selbst keinen Gewinn erwirtschaftet - der aber in der Öffentlichkeit ein weitgehend schlechtes Image hat. Die Tarifreform tritt nicht wie bisher geplant am 1. April 2013 in Kraft, sondern erst nach der Entscheidung der Schiedsstelle, mit der erst Ende Juni gerechnet wird. Im volksfreund.de-Interview sagt Ursula Goebel, warum die neuen Tarife - es sind nur noch zwei statt vorher elf - aus Gema-Sicht gerecht und fair sind, welche Fehler die Gema in der Vergangenheit gemacht hat, und warum die Clubs besonders betroffen sind. Nicht von der neuen Tarifreform betroffen sind reine Konzertveranstaltungen. Die umstrittene Tarifreform der Gema wurde kürzlich verschoben, nach acht Monaten mit jeder Menge Protesten und Demonstrationen - vor allem in der Clubszene sorgten die Pläne für einen Aufschrei. Zuletzt schalteten sich auch die Wirtschaftsminister der Länder in die Diskussion ein und forderten, die Entscheidung der Schiedsstelle abzuwarten. Statt Anfang April soll die Reform nun bis Ende Juni 2013 kommen. Wurde der öffentliche Druck auf die Gema zu groß? Ursula Goebel: Das ist nicht ganz korrekt, es wird ständig falsch dargestellt. Wir hatten der Bundesvereinigung der Musikveranstalter, unserem langjährigen Verhandlungspartner, selbst vorgeschlagen, die Entscheidung der Schiedsstelle abzuwarten, um Druck aus der Diskussion zu nehmen. Mit dem Schiedsstellenverfahren wollten wir eine neutrale Instanz bemühen, weil wir seit 2007 verhandeln, aber keinen Schritt weitergekommen sind und die Tarifpartner sich nicht mit uns auf Basis der vorgestellten Tarifreform an den Tisch setzen. Deshalb haben wir im März den Tarif einseitig veröffentlicht. Die Schiedsstelle wird die Tarife nun bis Ende Juni auf Angemessenheit prüfen. Dass sich mancher Tarifpartner nicht mehr mit der Gema an den Tisch setzt, liegt aus dessen Sicht an der fehlenden Verhandlungsbasis: Vor allem für Disco- und Clubbetreiber soll es radikal teurer werden. Wir erklären Sie einem klammen Clubbetreiber, dass er künftig vielleicht dreimal oder fünfmal so viel an die Gema überweisen muss? Ursula Goebel: Wir haben bei den neuen Tarifen nur noch zwei Parameter, die für alle gleich sind: Das ist zum einen die Grundfläche - in der Discothek die Tanzfläche - und zum anderen sind es die Eintrittserlöse. Einer Studie zufolge generieren Discobetreiber rund 17 Prozent des Umsatzes über den Eintritt. Vom Eintritt setzen wir zehn Prozent als Vergütung an. Wir wollen also nur an 1,7 Prozent des Gesamtumsatzes. Eine Disco ist nun mal musikbasiert - die macht ihr Geschäft mit der Musik. Und wir geben das Eins-zu-Eins an unsere 65000 Mitglieder weiter, abzüglich der Verwaltungskosten. Sie sprechen bei der neuen Tarifreform gerne von Fairness, Gerechtigkeit, Transparenz. Wie passt das zusammen mit den massiven Erhöhungen für manche? Ursula Goebel:Wir lizenzieren 1,5 Millionen Einzel-Veranstaltungen pro Jahr - in einer ganz großen Bandbreite: Schützenfeste und Dorffeste, Stadtfeste und Sportfeste, Veranstaltungen in Kneipen und eben auch in Discotheken, die mit rund 3000 Dancefloors im Land da aber nur einen kleinen Teil ausmachen. Die Clubbetreiber schlagen aber den größten Alarm - sie sind auch am stärksten betroffen. Wir gehen davon aus, dass die Tarifreform 50 bis 60 Prozent der Veranstaltungen nicht betreffen wird, weil der Betrag etwa gleichbleibt oder es sogar billiger wird. Selbst Mini-Clubs rechnen mit drastischen Erhöhungen, die letztlich auch der Gast mitbezahlen müsste. Wer wird denn künftig sparen? Ursula Goebel:Ein Beispiel: Nehmen wir mal eine Durchschnitts-Disco mit 300 Quadratmetern und sechs Euro Eintritt, mit drei Öffnungstagen pro Woche. Die zahlt pro Tag aktuell 33 Euro Gema-Vergütung für die Musiknutzung, dank einer Pauschale. Wenn Sie aber zum Beispiel zu einer öffentlichen Feier einladen würden und es kämen 300 Leute - auch mit sechs Euro Eintritt, in einem gleich großen Veranstaltungsraum, dann müssten sie dafür aktuell 232 Euro bezahlen. Also sieben Mal so viel wie der Discobetreiber. Nach den neuen Tarifen ist das klar, nachvollziehbar und fair. Da wird jede Veranstaltung gleich bewertet. Dann müssen Sie für Ihre Veranstaltung auch nur noch 180 Euro bezahlen… …und der Clubbetreiber nach dem Wegfall der Pauschalen eben auch, fünf Mal mehr als bisher. Da kommt der heftige Gegenwind nicht überraschend. Ursula Goebel:Die Discotheken hatten bisher eine sehr, sehr günstige Pauschale. Wir haben in der Vergangenheit vielleicht zu schlecht mit den Discobetreibern verhandelt, und haben mit zu vielen Pauschalen die Rechte unserer Urheber nicht gut genug wahrgenommen. Da müssen wir selbstkritisch sein. Es werden auch immer wieder falsche Infos gestreut. So ist der 50-prozentige Zuschlag, wenn eine Veranstaltung länger als fünf Stunden läuft, längst vom Tisch. Zudem haben wir den Club- und Discobetreibern ein Einführungsszenario angeboten: Demnach wird der neue Tarif erst auf fünf Jahre stufenweise eingeführt, er kommt dann erst 2018 voll zur Geltung. Das Image der Gema in der Öffentlichkeit hat durch die neue Tarifreform stark gelitten. Sie sind seit einem halben Jahr neue Marketing-Direktorin. Was hat Sie bewogen, ausgerechnet diesen Job zu übernehmen? Ursula Goebel:Ich kam von Agenturseite, da haben mich Freunde gefragt: ‚Warum gehst du ausgerechnet zur Gema? Das passt doch nicht'. Denen habe ich geantwortet: Doch, was die Gema macht, ist eine gute Sache. Ich bin für das Urheberrecht und den Schutz des geistigen Eigentums. Als ich meinen ersten Arbeitstag im Juni hatte, war die Diskussion über die Tarifreform schon sehr weit oben. Es wurde sehr hart diskutiert. Das ging im Grunde von zwei Lagern aus. Einmal von der Clubszene in Berlin und zum anderen von der Bundesvereinigung der Musikveranstalter (BVMV), dem auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) angehört. Unsere Tarif-Architekten haben mit Diskussionen gerechnet. Aber ganz sicher nicht in dieser Schärfe. Dafür hat auch die Kampagne des Dehoga gegen die Gema gesorgt, die bei vielen für Verwirrung gesorgt hat. Wir müssen uns in den letzten Jahren auch eigene Fehler eingestehen. Wir hatten das Image einer Behörde, eines intransparenten, hochkomplexen Gebildes. Das ist in der aktuellen Diskussion nicht förderlich gewesen. Es ist meine Aufgabe, das zu ändern - aber das geht nur schrittweise. Auch für viele Fest-Ausrichter befürchten deutliche Erhöhungen der Abgaben an die Gema. Können Sie exemplarisch durchrechnen, wie sich die Tarifreform etwa auf das Trierer Altstadtfest und das Moselfest in Zurlauben auswirken wird? (Anm. der Red.: Ursula Goebel hat das von der zuständigen Bezirksdirektion Wiesbaden durchrechnen lassen: Nach der TV vorliegenden Berechnung werden sich beim Altstadtfest die Gema-Abgaben von 10046 Euro auf 14119 Euro erhöhen. Beim Moselfest würden demnach statt bisher 1589 Euro künftig 2699 Euro fällig - jeweils bereits nach Abzug aller Nachlässe. So ist bei den neuen Tarifen ein "Brauchtums-Nachlass" in Höhe von 15 Prozent bereits berücksichtigt) Kritisiert wird oft auch die ungleiche Verteilung der Tantiemen. So fließen teilweise Gema-Abgaben vom Underground-Club auch an Mainstream-Acts, an Dieter Bohlen & Co. Wie lässt sich das künftig vermeiden? Ursula Goebel:Es ist ein wichtiges Ziel von uns, das Geld so gerecht wie möglich zu verteilen. Deshalb gibt es einen klaren Appell an die DJs, ihre Playlists - ihre Musikfolgen - an zu schicken. Wir haben kein Mandat, das einzufordern. Aber je mehr Musikfolgen wir haben, desto gerechter können wir das Geld verteilen. Die Initiative C3S plant, eine neue europäische Verwertungsgesellschaft zu gründen, die Musikern ermöglichen will, ihre unter Creative-Commons-Lizenzen veröffentlichten Werke jenseits der Gema kommerziell verwerten zu lassen. Wie sehen Sie die mögliche Konkurrenz? Ursula Goebel:Wir beobachten das interessiert und haben da weder Angst noch Sorge. Wir kennen die Macher und hatten auch schon Gespräche. C3S hat einen anderen Ansatz, die wollen einen genossenschaftlichen Verband aufbauen. Die Gema hat auch de jure kein Monopol - was viele glauben - wir sind nur faktisch ein Monopol. Das heißt: es hat sich bisher noch keine Alternative gegründet. Interview: Andreas Feichtner Zur Person


Ursula Goebel (37) ist seit Juni 2012 Direktorin Marketing/Kommunikation bei der Gema. Zuvor arbeitete sie als Account-Direktorin bei der Münchner Agentur FischerAppelt. Goebel stammt aus der Eifel (Brimingen bei Bitburg) und studierte in Trier und Pisa Kunstgeschichte, BWL und Italienische Philologie. AF

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort