Genehmigt, aber streng geheim

Trier · Ein französischer Konzern stellt in Deutschland Brennelemente her, die unter anderem für französische Atomkraftwerke gebraucht werden, etwa für Cattenom. Das Unternehmen lässt die brisante Fracht dann quer durch die Republik und wohl auch durch die Region transportieren.

Trier. Keiner dementiert, trotzdem hüllen sich alle in Schweigen. Es geht um die regelmäßigen Transporte von Urandioxid-Brennelementen per LKW vom niedersächsischen Lingen in das Kernkraftwerk Cattenom. Ein Unternehmenssprecher von Areva, dessen Tochterfirma Advanced Nuclear Fuels die Brennelemente herstellt, verwies nach einer Anfrage unserer Zeitung auf das Bundesamt für Strahlenschutz, das für die Genehmigung der Transporte zuständig ist. Dort sieht man unter den aktuell genehmigten Transporten für Kernbrennstoffe, dass zuletzt am 22. Mai eine Fahrt von Lingen nach Cattenom gegangen ist. Den Antrag für die Genehmigung gestellt hatte die Areva-Tochter TN International. Ansonsten hüllt sich der Areva-Sprecher in Schweigen. Zu konkreten Transporten gebe er keine Auskunft.
Genauso zugeknöpft gibt man sich im Bundesinnenministerium. Welche Strecken im konkreten Einzelfall genutzt würden und wo gegebenenfalls Landesgrenzen überquert würden, könnte "aus Gründen der Sicherheit dieser Transporte", die als Verschlusssache eingestuft werden, nicht beantwortet werden, sagte ein Ministeriumssprecher. Dass es aber diese Transporte gibt, bestreitet er nicht. "Für den Transport von Nuklearmaterial werden regelmäßig auch die bundesdeutschen Autobahnen genutzt." Hierbei handele es sich um Nuklearmaterial, "welches im Rahmen der friedlichen Nutzung der Kernkraft Verwendung findet".
Nach Recherchen der atompolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl, hat es zwischen 2009 und 2012 insgesamt 15 solcher genehmigter Transporte von Lingen nach Cattenom gegeben. TV-Recherchen belegen, dass es in diesem Jahr bereits sieben gegeben hat. Die transportierten Brennelemente wogen zwischen knapp 175 und bis zu 4290 Kilogramm. Auch in das Kernkraftwerk Fessenheim im Elsass gehen nach den unserer Zeitung vorliegenden Unterlagen regelmäßig Brennelementtransporte von Lingen aus. Auch dazu gibt es keine offizielle Bestätigung über die benutzen Routen.
Aus einer Studie im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2011 geht jedoch hervor, dass mögliche Transportwege der LKW von Lingen aus nach Frankreich über die A 48 durch die Eifel Richtung Trier, dann über den Grenzübergang Perl im Saarland führen oder von der A 48 aus über die A 1 durch den Hochwald über Saarbrücken und von dort nach Frankreich. Eine Bestätigung dafür gibt es aber von offizieller Seite nicht. Fakt ist aber, dass die LKW nicht durch Luxemburg fahren. Das Großherzogtum genehmigt keine Transporte von spaltbarem Material, weder auf der Schiene noch auf der Straße.
Routen sind Verschlusssache


Bereits 2010 wollte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Kotting-Uhl vom rheinland-pfälzischen Innenministerium etwas über die Routen der Urantransporte durch das Land erfahren. Doch das Ministerium mauerte. Es gebe keine Auswertungen der Strecken, schrieb der damalige Innenstaatssekretär und heutige Minister Roger Lewentz der Grünen-Politikerin. Die jeweils zuständige Polizei werde 48 Stunden vor den Transporten informiert, so Lewentz damals. Auch heute gibt sich das Innenministerium bezüglich der Urantransporte per Zug durch die Region (der TV berichtete) genauso wenig auskunftsfreudig. Die Routen gelten als Verschlusssache im Ministerium, heißt es.
Die Brennelementtransporte per LKW sind aber nicht die einzige strahlende Fracht, die per Straße wohl quer durch die Region geht. Vor drei Jahren kam heraus, dass regelmäßig Laster mit Uranhexafluorid von Frankreich aus quer durch die Region unter anderem ins westfälische Gronau fahren. Dort betreibt Areva eine Urananreicherungsanlage.
Offiziell bestätigt wurden diese Fahrten genauso wenig wie die von Lingen nach Cattenom. Dementiert hat sie aber auch nie einer.
Extra

Urandioxid ist der wichtigste Kernbrennstoff in Atom reaktoren. Dazu wird das Uranpulver zu Tabletten, sogenannten Pellets, von zwei bis drei Zentimeter Länge und einem Zentimeter Durchmesser verarbeitet. Diese Pellets werden dann in bis zu fünf Meter lange Metallrohre mit einer Speziallegierung gefüllt. Bis zu 250 dieser Rohre bilden dann die Brennelemente für Kernkraftwerke. wieExtra

Areva ist ein französischer Nuklearkonzern. Er ist zu 79 Prozent im Besitz des Staates. In Deutschland betreibt Areva über Tochterfirmen unter anderem die Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen und die Urananreicherungsanlage in Gronau in Westfalen. Insgesamt an 14 Standorten ist der französische Konzern in Deutschland tätig. Areva fördert unter anderem auch in Kasachstan Uran. Dieses wird dann per Schiff nach Hamburg transportiert. Von dort wird das Uran per Zug quer durch die Republik und die Region zur Aufbereitung nach Frankreich gefahren. Außerdem ist das Unternehmen im Bau von Kraftwerken tätig. So hat Areva alle vier Blöcke des Kernkraftwerks Cattenom gebaut. wie

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