Hängepartie in der Eifel

Mainz · Die EU-Kommission brütet über dem Nürburgring-Verkaufsprozess. Es ist offen, ob sie grünes Licht gibt. Die Erwerber stellen trotzdem schon vertragliche Weichen. Viele Menschen in der Eifel fragen sich, wie das möglich ist. Die Antwort: Offenbar gibt es einen Pachtvertrag für Capricorn ab 2015 - für den Fall, dass Brüssel Nein zum Verkauf sagt.

Mainz. Die einen sagen, sie wissen nichts: die Landesregierung. Die anderen wissen alles, sagen aber nichts: die Insolvenzverwalter. Wieder andere wollen möglichst viel wissen, werden aber abgespeist: die CDU-Opposition im Landtag. Auf diesem Nährboden blühen Gerüchte und Spekulationen rund um die weltberühmte Eifel-Rennstrecke.Mauer des Schweigens


Viele Eifeler wundern sich, dass die Düsseldorfer Firma Ca pricorn als Käufer des Nürburgrings bereits weit in die Zukunft reichende vertragliche Entscheidungen fällt - jüngst mit der Vergabe des Managements der Hotels und des Feriendorfs in Drees für drei Jahre an die Lindner-Gruppe - obwohl sie offiziell erst am 1. Januar 2015 das Zepter übernimmt. Wer die Hintergründe erforschen will, stößt auf eine Mauer des Schweigens. Alles streng geheim.
Den Kaufvertrag, abgeschlossen zwischen Capricorn und den vom Land eingesetzten Insolvenzverwaltern Thomas B. Schmidt und Jens Lieser, kennen nur wenige. Als die CDU im Innenausschuss des Landtags Details wissen wollte, "wurde uns selbst in vertraulicher Sitzung die Auskunft verweigert", klagt Fraktionsvize Alexander Licht. Und das, obwohl es um eine insolvente Landesgesellschaft und um das Vermögen des Steuerzahlers gehe, ärgert sich Licht.
Der TV hakt bei den Insolvenzverwaltern nach: Ist Capricorn rückwirkend seit dem 1. Januar 2014 Besitzer des Rings? Fließt der für dieses Jahr auf sechs Millionen Euro geschätzte Gewinn bereits an Capricorn und wird er von der Kaufsumme von 77 Millionen Euro abgezogen? Diese Informationen sind im Internet vom Eifeler Wilhelm Hahne zu lesen ( www.motor-kritik.de ). Antwort von Pietro Nuvoloni, Sprecher der Insolvenzverwalter: alles streng geheim.
Der Volksfreund will wissen, ob die EU-Kommission den Kaufvertrag komplett bekommen hat, um ihn zu prüfen - mitsamt eines offenbar vorhandenen Annex. In diesem soll festgelegt sein, dass Capricorn ab dem 1. Januar 2015 sämtliche Anlagen pachtet, falls Brüssel den Verkauf als nicht rechtskonform einstufen sollte. Ende 2014 erlischt die von den Insolvenzverwaltern gegründete Betriebsgesellschaft NBG. Antwort von Pietro Nuvoloni: alles streng geheim.
Zumindest die Landesregierung müsste doch Einzelheiten kennen, oder? Pech gehabt: Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der zuständige Infrastrukturminister Roger Lewentz (beide SPD) haben stets betont, "keinerlei Einfluss" auf den Verkaufsprozess genommen zu haben. Das sei Sache der Insolvenzverwalter.
Warum Dreyer, Lewentz und Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) allesamt an jenem Tag im März in Koblenz weilten und eine Pressekonferenz geben wollten, als Capricorn als Käufer des Nürburgrings bekanntgegeben wurde, bleibt ihr Geheimnis.
Und dass der Justiziar der Landesförderbank ISB als Vorsitzender des Gläubigerausschusses sich laut mündlicher Auskunft im Innenausschuss des Landtags stets eng mit dem Infrastrukturministerium abgestimmt habe, wie sich CDU-Fraktionsvize Licht erinnert, sorgt ebenfalls nicht dafür, dass von der Landesregierung Antworten zum Ring-Verkauf zu bekommen wären.Wie kommt Licht ins Dunkel?


Jüngst gab es von der Ministerpräsidentin nach einer Visite in Brüssel bei Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia, dessen Behörde über den Verkauf entscheidet, immerhin eine knappe Information: Es habe noch Einwände gegeben, weshalb sich die Entscheidung verzögere. Malu Dreyer soll mit Bundeswirtschaftsminister und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel versucht haben, den Sozialisten Almunia gnädig zu stimmen, wird kolportiert. Aber wenn es so wäre - natürlich alles streng geheim.
Welche Möglichkeiten hat die CDU-Opposition im Landtag, um Licht ins Dunkel zu bringen? Laut Fraktionsvize Alexander Licht keine: "Wir könnten nur mit der Mehrheit in den Ausschüssen Auskünfte erzwingen. Die haben wir aber nicht." Licht kann sich einen Seitenhieb an die Grünen nicht verkneifen. "Von deren stets propagierter Transparenz ist hier nichts zu sehen."
Fakt ist: Die Menschen in der Eifel müssen mit einer Hängepartie leben. Solange, bis die EU-Kommission eine Entscheidung gefällt hat.

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