Hillary Clinton wagt sich aus der Deckung

Washington · Die Debatte um die richtige Strategie in Syrien, bereits 2012 im Kabinett Obama kontrovers geführt, geht in ihre zweite Runde. Diesmal geht es darum, ob Amerika mit der Einrichtung einer Flugverbotszone auf die russischen Luftschläge reagieren soll.

Washington. Es hat eine Weile gedauert, bis Hillary Clinton in der Syrienfrage Farbe bekannte. Das Thema war ihr zu heikel, in der Frühphase des Wahlkampfs wollte sich die Mitfavoritin im Rennen ums Weiße Haus eigentlich zurückhalten mit Kritik an dem Präsidenten, in dessen Kabinett sie vier Jahre lang diente. Nun aber wagt sie sich doch aus der Deckung.
Was sie vorschlägt, geht weit über das hinaus, was Barack Obama in der praktischen Politik zu tun bereit ist. Clinton fordert die Einrichtung von Flugverbotszonen im syrischen Luftraum, ergänzt durch humanitäre Korridore an den Grenzen des Landes. Es wäre, sagt sie, ein Versuch, den Strom der Flüchtlinge aufzuhalten. Obama hält nichts von der Idee, schon eine No-fly-Zone, fürchtet er, würde Amerika zu weit hineinziehen in den Strudel des Bürgerkrieges. Es mache einen Unterschied, ob man sich um das Amt des Präsidenten bewerbe oder tatsächlich Präsident sei, rügt er die Parteifreundin für ihren Vorstoß. Die Diskussionen, wie er sie mit seinen Generälen führe, seien sehr viel detaillierter. "Und sie erfordern, glaube ich, eine andere Art von Urteilsvermögen."

Wer auf die Feinheiten des Washingtoner Politikbetriebs achtet, dem fällt auf, dass Clinton ins gleiche Horn stieß wie kurz zuvor David Petraeus, der sich als Kommandeur der US-Truppen im Irak den Ruf erwarb, ein Experte für die Bekämpfung von Aufständen zu sein, nachdem es ihm gelungen war, die Lage in den rebellischen Sunniten-Hochburgen vorübergehend zu beruhigen. Die beiden bildeten schon einmal ein Tandem, 2012. Damals wollten die Außenministerin Clinton und der CIA-Chef Petraeus ein skeptisches Oval Office dazu bewegen, eine moderate syrische Oppositionsarmee zu bewaffnen. Wie Clinton in ihren Memoiren schreibt, ging es beiden um einen Partner vor Ort, der zwar nicht stark genug sein würde, die Truppen Baschar al-Assads zu besiegen, wohl aber stark genug, um Assad begreifen zu lassen, dass er selber militärisch nicht siegen konnte. Am Ende behielt Obamas Vorsicht die Oberhand, und wenn man so will, geht der Diskurs jetzt in die zweite Runde.
Nur, dass er nunmehr um den Streitpunkt Flugverbotszone kreist, mit Koalitionen, die auf den ersten Blick bizarr erscheinen. Auf Clintons Seite steht der Republikaner Jeb Bush, Ex-Gouverneur Floridas und außenpolitisch ein unbeschriebenes Blatt, von dem noch niemand sagen kann, ob er sich eher an der Vorsicht seines Vaters oder den burschikosen Alleingängen seines Bruders orientiert. Bernie Sanders dagegen, Clintons parteiinterner Rivale auf der Linken, lehnt eine Flugverbotszone vehement ab. "Wir sollten eine sehr komplizierte Lage nicht noch komplizierter machen."
Noch etwas scheint paradox: Es bedurfte erst des Eingreifens Wladimir Putins, um die amerikanische Syriendebatte richtig in Schwung zu bringen. Fast hat es den Anschein, als funktionierten die alten Reflexe des Supermacht-Blockdenkens noch immer, auch in Washington.
Plötzlich ist aus einer Diskussion, die lange Zeit eher am Rande geführt wurde, auch noch, als sich die Dimensionen der Flüchtlingskrise abzuzeichnen begannen, eine sehr zentrale geworden. John McCain etwa, die prominenteste Stimme im Chor der Hardliner, spricht ohne Umschweife von einem Stellvertreterkrieg mit Moskau.
Putin mische sich auf eine Weise in Nahost ein, "wie die Russen es nicht mehr gemacht haben, seit Anwar el Sadat sie hinauswarf" - die Rede ist vom Schwenk Ägyptens, das nach dem Oktoberkrieg 1973 vom pro-sowjetischen ins pro-amerikanische Lager wechselte.

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