Integrationsbeauftragter: Islam-Unterricht soll überall möglich sein – Harte Kritik an Burka-Debatte

Trier · Burka-Debatten und Diskussionen über getrennten Schwimmunterricht für muslimische Mädchen hält er für wenig hilfreich: Miguel Vicente (SPD), Integrationsbeauftragter des Landes, will islamisches Leben im Land fördern. Das erläutert er im Interview mit unserem Mitarbeiter Dietmar Brück.

Sie arbeiten an einer Art Staatsvertrag mit vier muslimischen und einem alevitischen Verband in Rheinland-Pfalz. Was würde sich dadurch ändern?
!Miguel Vicente: Die muslimischen Verbände wünschen sich schon lange eine institutionelle Gleichstellung mit den anderen Religionsgemeinschaften, dies wollen wir damit voranbringen. Welche Fragen in einem solchen Vertrag geregelt werden, wissen wir erst am Ende der Beratungen, die ja erst begonnen haben. Wir haben bereits einen wichtigen Zwischenschritt erreicht. Diese fünf Verbände sind durch Gutachten als Religionsgemeinschaften bestätigt worden, somit haben wir erstmalig legitimierte Ansprechpartner auf muslimischer Seite. Mit diesem Schritt machen wir auch klar, dass Musliminnen und Muslime in Rheinland-Pfalz dazugehören - und mit allen Rechten und Pflichten wie andere Religionsgemeinschaften behandelt werden.

Die fünf Verbände könnten später islamischen Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz mittragen. Welche Schritte sind geplant?
Vicente: Das Land bietet bereits an zwölf Schulen islamischen Religionsunterricht an, der sehr gut angenommen wird. Bislang fehlte uns aber ein legitimierter Kooperationspartner auf muslimischer Seite. Das hat sich nun geändert, jetzt könnten wir einen muslimischen Religionsunterricht, analog zu dem schulischen Angebot, das wir christlichen und jüdischen Kindern anbieten, mit den anerkannten muslimischen Religionsgemeinschaften entwickeln.
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Wer würde die Inhalte des Unterrichts kontrollieren?
Vicente: Auch ein konfessioneller Religionsunterricht steht natürlich unter staatlicher Aufsicht. Die islamischen Religionsgemeinschaften wären hauptsächlich für die religiösen Inhalte im Lehrplan zuständig, der Staat achtet gleichzeitig darauf, dass der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule sich ebenso wiederfindet.
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Soll islamischer Religionsunterricht künftig in jeder Schule angeboten werden können?
Vicente: Unser Ziel ist es, islamischen Religionsunterricht an den Schulen anzubieten, wo genügend Schülerinnen und Schüler diesen nachfragen. Das wird aber gewiss nicht jede Schule in Rheinland-Pfalz betreffen.
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Diskutiert werden islamische Wohlfahrtsverbände analog zu Diakonie und Caritas. Brauchen wir dies?
Vicente: Auch das ist ein Stück der Normalisierung muslimischen Lebens in Deutschland. Und ich finde es durchaus begrüßenswert, wenn Muslime sich im sozialen, karitativen Bereich verstärkt engagieren wollen, was sie im Übrigen ja längst schon tun.
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Wird es in Rheinland-Pfalz muslimische Feiertage geben?
Vicente: Nicht in dem Sinne, dass sie für alle Menschen gelten. Muslime wollen, dass für sie wichtige Feiertage respektiert werden und sie etwa Urlaub nehmen oder vom Schulunterricht befreit werden können. Letzteres ist bereits möglich.
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Wie bewerten Sie die Debatte über das Burka-Verbot?
Vicente: Ich finde diese Diskussion überflüssig und obendrein schädlich. Vermutlich tragen nur eine Handvoll Frauen in Rheinland-Pfalz die Burka, und ein Verbot ist ohnehin nur sehr schwer durchsetzbar. Zudem wissen wir nicht, warum Frauen die Burka tragen. Ich akzeptiere selbstverständlich, wenn eine Frau sich aus eigenen Stücken für das Tragen der Burka entscheidet. Ich lehne die Burka aber ab, wenn eine Frau hierzu gezwungen wird.
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Und was sagen Sie zum getrennten Schwimmunterricht für Mädchen und Jungen, der mit islamischen Glaubensvorstellungen begründet wird?
Vicente: Das Grundrecht der Religionsfreiheit sowie der Erziehungs- und Bildungsauftrag des Staates müssen in Einklang gebracht werden, das geben höchstrichterliche Urteile vor. Jede Schule muss für sich abwägen und praktikable Lösungen finden. Natürlich ist das Ziel der Landesregierung, dass keine Schülerin vom Sport oder Schwimmunterricht ausgeschlossen wird. In Einzelfällen kann auch ein Burkini, ein Schwimmanzug für Mädchen und Frauen, helfen. Mir ist aber keine einzige Klage dazu aus unseren Schulen bekannt.

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