Kein Freibrief für öffentliche Schelte

Trier · Die Gesamt-Mitarbeitervertretung des Bistums Trier durfte sich auch öffentlich kritisch über geplante Sparmaßnahmen äußern. Das hat am Dienstag das kirchliche Arbeitsgericht entschieden. Nach Ansicht eines Trierer Rechtswissenschaftlers ist das aber kein Freibrief - weder für Mitarbeitervertretungen noch für Betriebsräte.

 Der Trierer Rechtsprofessor Thomas Raab. Foto: privat

Der Trierer Rechtsprofessor Thomas Raab. Foto: privat

Trier. Wann darf sich eine Mitarbeitervertretung über betriebliche Dinge öffentlich äußern? Und wann sollte sie besser schweigen, um nicht rechtlich in die Bredouille zu kommen? Und was unterscheidet eigentlich in diesem Punkt die Mitarbeitervertretung eines kirchlichen Dienstgebers vom Betriebsrat eines ganz normalen Unternehmens?
Wenig, meint der Trierer Rechtsprofessor Thomas Raab. "Die Grenzen der zulässigen Meinungsäußerung unterscheiden sich für den Betriebsrat nicht oder zumindest nicht wesentlich von dem, was im kirchlichen Bereich für die Mitarbeitervertretung gilt", sagte der Arbeitsrechtsexperte im Gespräch mit unserer Zeitung.
Grundsätzlich könne sich der Betriebsrat zu allen Fragen äußern, die einen Bezug zum Betrieb haben und insbesondere die Interessen der dort beschäftigten Arbeitnehmer betreffen, sagt Raab unter Verweis auf das Betriebsverfassungsgesetz. Grenzen ergäben sich etwa aus der Geheimhaltungspflicht, heißt: Geschäftsgeheimnisse dürfen weder öffentlich noch innerhalb des Unternehmens verbreitet werden.
Der Trierer Rechtsexperte verweist darauf, dass für Tatsachenbehauptungen zudem die Wahrheitspflicht gelte. Darüber hinaus sei der Betriebsrat verpflichtet, bei Stellungnahmen die Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. So müsse er etwa Äußerungen unterlassen, die den Betriebsfrieden beeinträchtigen könnten.Beleidigungen tabu


Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann laut Rechtsexperte Raab vorliegen, "wenn der Betriebsrat sich in einer Art und Weise äußert, die gegenüber dem Arbeitgeber oder anderen Betriebsangehörigen beleidigend, herabwürdigend oder geeignet ist, diese Personen in Misskredit zu bringen". Dies gelte für interne Äußerungen und öffentliche. Wendet sich ein Betriebsrat an die Öffentlichkeit, muss er nach Angaben des Trierer Arbeitsrechtlers dabei beachten, dass das Bild des Arbeitgebers negativ beeinflusst werden könnte. "Aus diesem Grunde ist der Betriebsrat im Regelfall aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet, Streitigkeiten zunächst intern auszutragen", sagt Thomas Raab.
Erst wenn der Arbeitgeber auf berechtigte Forderungen nicht eingehe, könne es zulässig sein, dass der Betriebsrat den Konflikt in die Öffentlichkeit trage. Dies gelte auch, wenn der Arbeitgeber selbst sich zunächst an die Öffentlichkeit gewandt habe. "Dann kann es dem Betriebsrat auch nicht verwehrt werden, seine Sicht der Dinge zu schildern", sagt der Experte. Dem Betriebsrat sei es dann auch erlaubt, den Arbeitgeber zu kritisieren, sofern dies sachlich geschehe.
Den Streit zwischen der Gesamt-Mitarbeitervertretung des Bistums und dem Generalvikariat bezeichnet der Trierer Arbeitsrechtler als Grenzfall. Zwar überschreite die Mitarbeitervertretung nicht die Grenzen sachlicher Kritik, die ein Arbeitgeber in der Auseinandersetzung mit der Arbeitnehmervertretung hinnehmen müsse. "Problematisch ist allerdings, ob sich die Mitarbeitervertretung mit dieser Kritik vor einer internen Auseinandersetzung an die Öffentlichkeit wenden durfte", gibt der Trierer Rechtswissenschaftler zu bedenken. sey

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