Landesregierung stoppt Gespräche mit vier islamischen Verbänden

Mainz/Trier · Die jüngste Entwicklung in der Türkei führt auch in Rheinland-Pfalz zu ersten Konsequenzen: Die Landesregierung hat die laufenden Verhandlungen über einen islamischen Religionsunterricht vorerst gestoppt.

Die Polizei in der Türkei hat rund 26.000 Menschen verhaftet, 60.000 Staatsbedienstete sind suspendiert, mehr als 20.000 Lehrer plötzlich ohne Job, viele Türken haben ihr Hab und Gut verloren, im Land diskutieren Fanatiker über die Todesstrafe: Wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nach dem gescheiterten Putschversuch in seinem Land durchgreift, das stößt in vielen Teilen der Welt auf massive Kritik. Auch in Rheinland-Pfalz. Mit Folgen: Die Landesregierung hat die Gespräche mit vier islamischen Verbänden zum Islam-Unterricht an den Schulen vorläufig auf Eis gelegt. Ein Gutachter soll zunächst beurteilen, ob die türkische Regierung Einfluss auf die Arbeit der Verbände nimmt. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagt: "Innenpolitische Konflikte aus der Türkei dürfen nicht in Rheinland-Pfalz ausgetragen werden."

Besonders in der Kritik steht der Verein Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib). Nach Meinung des Trie8rer Strafrechtlers Hans-Heiner Kühne ist der Moscheeverband ein reines Machtinstrument der türkischen Staatsführung. "Mit deren Vertretern sollten wir nicht unkontrolliert zusammenarbeiten oder sie gar mitfinanzieren", fordert der emeritierte Juraprofessor und Türkei-Kenner in einem Gespräch mit unserer Zeitung.

Politiker aus der rot-gelb-grünen Ampelkoalition und der Opposition hatten zuletzt gefordert, die Gespräche mit Ditib zu unterbrechen. CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner verlangt, dass der Moscheenverein sich vom Vorgehen der türkischen Regierung abgrenzen müsse. Zu Menschenrechtsverletzungen dürfe Ditib nicht schweigen.

Cihan Sen, rheinland-pfälzischer Vize-Vorsitzender von Ditib, widerspricht dem Vorwurf, die Türkei nehme politisch Einfluss auf den Verband. "Für uns ist das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ausschlaggebend", sagt er. Die Konflikte mit der Türkei gehen dagegen weiter. Strafrechtler Kühne glaubt, dass der türkische Präsident den Flüchtlingsdeal mit der Europäischen Union aufkündigen wird, weil er die geforderten Reiseerleichterungen nicht bekommen werde.

Angesichts der wachsenden Spannungen beantragen immer mehr Türken Asyl in Deutschland. Im ersten Halbjahr sei die Zahl fast schon so hoch wie 2015 insgesamt, teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit. Demnach registrierte die Behörde von Januar bis Juni 1719 Anträge von Türken, 2015 waren es insgesamt 1767. In Rheinland-Pfalz leben 60.000 Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit. Malu Dreyer warnt davor, diese "in Misskredit zu bringen".

Lesen sie auch: "Irgendwann wird Erdogan fallen" - TV-Interview mit dem Trierer Türkei-Kenner Hans-Heiner Kühne

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