SPD-Parteitag wählt Malu Dreyer fast einstimmig zur Spitzenkandidatin – Eifeler Nico Steinbach scheitert mit Gegenkandidatur

Ludwigshafen · Unter dem Eindruck der Anschläge von Paris haben die rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten am Samstag ihre Liste für die Landtagswahl aufgestellt. Bei der Nominierung fuhr Spitzenkandidatin Malu Dreyer das erwartete Top-Ergebnis ein. Ein Eifeler Abgeordneter holte sich dafür eine Schlappe ab.

SPD-Parteitag wählt Malu Dreyer fast einstimmig zur Spitzenkandidatin – Eifeler Nico Steinbach scheitert mit Gegenkandidatur
Foto: Florian Schlecht

Nico Steinbach weiß schon vorher, dass seine Chancen alles andere als groß sein werden. "So gering sind sie", sagt der 31-jährige Eifeler zu Beginn des SPD-Parteitags und lässt zwischen Daumen und Zeigefinger gerade einmal einen knappen Zentimeter Platz. Viereinhalb Stunden später zeigt sich, dass der Landtagsabgeordnete recht behält. In einer Kampfabstimmung unterliegt Steinbach seinem mehr als doppelt so alten Pfälzer Kollegen Manfred Geis mit 129 zu 255 Stimmen. "Aber einige Genossen haben mir danach anerkennend auf die Schulter geklopft", nimmt der vor einem Jahr für Monika Fink nachgerückte Parlamentarier die Niederlage sportlich. Nico Steinbach steht damit - wie vom SPD-Landesvorstand vorgeschlagen - auf Listenplatz 44 und hat damit maximal Außenseiterchancen auf einen Wiedereinzug in den nächsten Landtag.

Seine prominente Genossin, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, bekommt von den Delegierten im Ludwigshafener Pfalzbau genau jenen Rückenwind, den sich die Parteistrategen um Landeschef Roger Lewentz und Generalsekretär Jens Guth gewünscht haben dürften: 395 von 397 Delegierten votieren für die mit ihrem Ehemann Klaus Jensen angereiste Spitzenkandidatin aus Trier. "Das ist das Minimum dessen, was wir einbringen werden in den Wahlkampf", meint eine sichtlich erleichterte Malu Dreyer nach Bekanntgabe des Ergebnisses. "Wir schaffen das."
Es sind Sätze, die die Genossen an diesem Tag hören möchten. Denn die letzten Umfrageergebnisse waren für die seit 24 Jahren regierenden rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten alles andere als erbaulich. Im zuletzt veröffentlichten ZDF-Politbaromter kommt die Landes-SPD gerade mal auf 30 Prozent, während Klöckners Christdemokraten bei der Sonntagsfrage bei stolzen 41 Prozent liegen. "Niemals waren Umfragen so schnell von gestern, wie sie es heute sein können", greift Malu Dreyer das undankbare Thema auf. Prinzip Hoffnung. Die Delegierten nehmen es der seit knapp drei Jahren amtierenden Ministerpräsidentin ab. Mehrmals muss Dreyer ihre 75-minütige Rede unterbrechen, weil die Delegierten applaudieren und Malu-Schilder in die Höhe halten.
Es habe in der Vergangenheit schon Reden von ihr gegeben, bei der kaum jemand applaudiert habe, sagt eine Journalistin, die die Landes-SPD schon lange begleitet.

An diesem Tag aber ist das anders, auch wenn die schrecklichen Anschläge von Paris einen Schatten auf den Parteitag werfen - zumindest zeitweise. Malu Dreyer greift das Thema mehrfach auf, warnt vor falschen Schuldzuweisungen, die schon kurz nach den Attentaten im Internet kursieren: "Die Menschen, die zu uns fliehen, fliehen oft vor genau denselben Menschen, die in Paris gemordet haben!"
Das Thema Flüchtlinge kommt in Dreyers Rede ebenfalls mehrmals vor. Tenor: Die rheinland-pfälzischen Bürger, die Kommunen und die rot-grüne Landesregierung unternehmen alles, "um die Herausforderungen zu bewältigen", wie Dreyer sagt. Dann attackiert sie das "verantwortungslose Handeln der Union" in Berlin und attackiert ihre Herausforderin, ohne Julia Klöckner beim Namen zu nennen. Die Landes-CDU wolle den Streit und habe nur ein Ziel: Schlechtreden und kaputtmachen. Mit populistischen Themen wie dem Burka-Verbot würden die Menschen verunsichert und Kräfte wie die AfD verstärkt. Die derzeit in Umfragen bei über fünf Prozent liegende AfD nennt Dreyer in weiten Teilen rechtsextrem, der Einzug in den Landtag müsse unbedingt verhindert werden. "Rechtsextreme haben bei uns keinen Platz", sagt die Ministerpräsidentin unter tosendem Applaus der Delegierten.
Stolze sieben Minuten Beifall bekommt die Regierungschefin am Ende ihrer Rede, da lässt sich das später folgende Ergebnis ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin schon erahnen. "Malu hat das Land im Sturm erobert, sie ist die Krisenbewältigerin", macht Parteichef Roger Lewentz noch einmal deutlich, dass die Triererin nicht nur lächeln, sondern auch zupacken und entscheiden kann.

Für den Eifeler Landtagsabgeordneten Nico Steinbach endet der Parteitag weniger glücklich. Bei der Abstimmung über die Listenplätze fährt der 31-Jährige das zweitschlechteste Ergebnis ein. So mancher Genosse dürfte ihm die überraschende Kandidatur gegen den nach eigenen Angaben geschockten Pfälzer Manfred Geis dann doch nicht verziehen haben. Der schwache Trost für Steinbach ist immerhin, dass die allseits bekannte Staatssekretärin Heike Raab noch weniger Stimmen bekam.
Meinung


Rolf Seydewitz

Alles auf die Karte Malu

Glaubt man den Umfragen, muss sich die rheinland-pfälzische SPD über ihre Zukunft auf der Mainzer Regierungsbank keine Gedanken mehr machen. Nahezu uneinholbar scheint die Klöckner-CDU inzwischen davongeeilt, selbst mit dem grünen Koalitionspartner an der Seite haben die Genossen keine Mehrheit mehr. Aber bis zur Landtagswahl sind es noch vier Monate, in denen viel Terrain gewonnen, aber auch verloren gehen kann. Der Ludwigshafener Parteitag hat gezeigt: Die Landes-SPD wird um jede Stimme kämpfen und steht geschlossen hinter Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Das Wahlkampfprogramm der Genossen heißt Malu, andere Themen wie Gratis-Bildung, Pflege-Manager oder Turbo-Internet werden bis zum 13. März allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Diese Strategie ist angesichts von Dreyers Popularitätswerten verständlich. Weil Sympathiepunkte alleine nicht reichen, wird die Triererin von ihrer Partei nun zunehmend auch als zupackende und standhafte Regierungschefin positioniert. Die Botschaft dahinter: Mag ringsherum auch eine Krise auf die nächste folgen, Malu Dreyer wird die Rheinland-Pfälzer auch weiterhin sicher durch alle Untiefen führen.
Die Malu-Strategie ist aber zugleich auch riskant. Wenn der Trumpf aus welchen Gründen auch immer nicht sticht und die Landtagswahl im März verloren geht, steht fest, wem der Schwarze Peter dafür in die Schuhe geschoben wird. Für Malu Dreyer wäre dies das Ende ihrer politischen Karriere.
r.seydewitz@volksfreund.deVier Fragen an.…..den Eifeler Landtagsabgeordneten Nico Steinbach

"Die Quotierung ist Käse" Der Eifeler Landtagsabgeordnete Nico Steinbach hatte auf dem SPD-Parteitag als einziger den Mut zu einer Gegenkandidatur. Der 31-Jährige unterlag. Mit Nico Steinbach sprach TV-Volontär Florian Schlecht.

Sie haben sich auf der Landesliste für den 28. Platz beworben, aber verloren. Sind Sie geknickt?

Steinbach: Nein, ich bin mit mir sehr im Reinen. Ich habe ein Drittel der Stimmen erhalten, dafür muss man sich nicht schämen. Die Liste anzugreifen und zu verändern ist immer schwierig. Ich war mir dem Mammut-Unterfangen bewusst und wollte ein Signal in die Heimat setzen: für die Vertreter des Eifelkreises und gegen die 50:50-Quotierung. Bei dieser stehen Frauen und Männer abwechselnd auf der Landesliste.

Was haben Sie gegen diese Idee?

Steinbach: Die Quotierung ist Käse, weil sie zu starr ist. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit einer 40-Prozent-Regel gemacht. Beworben haben Sie sich auf den Listenplatz, auf dem Manfred Geis aus dem Wahlkreis Bad-Dürkheim-Grünstadt stand.

Warum haben Sie sich darauf beworben?

Steinbach: Es ist immer schwierig, gegen einen Kollegen zu kandidieren. Ich habe geschaut, wo ein Einfallstor besteht. Manfred Geis hat seinen Wahlkreis immer direkt gewonnen - damit wäre er in der nächsten Landtagsfraktion ohnehin sicher dabei. Nun können Sie nur noch als Wahlkreis-Sieger in den Landtag einziehen.

Haben Sie Chancen?

Steinbach: Ich muss nicht um den heißen Brei herumreden: Es wäre das erste Mal, dass sich bei einer Wahl die Farben wechseln. Aber ich erfahre eine hohe Wertschätzung. Wenn die Erststimme für den direkten Landtagskandidaten nicht an die kleinen Parteien gehen, sondern an uns, haben wir Sozialdemokraten eine gute Chance.

Was die regionalen SPD-Politiker zu ihrem Listenplatz sagen


Neben Malu Dreyer und Nico Steinbach stehen auf den ersten 51 Plätzen der SPD-Landesliste fünf weitere Kandidaten aus der Region. Astrid Schmitt, Bettina Brück und Ingeborg Sahler-Fesel dürften das Landtagsmandat so gut wie sicher in der Tasche haben. Nadine Zender und Lothar Rommelfanger müssten wohl das Direktmandat gewinnen.

Astrid Schmitt, Vulkaneifel, 9. Platz: Das ist ein toller Listenplatz, der zeigt, dass ich intensiv für die Fraktion gearbeitet habe. Jetzt wollen wir den Schwung aus dem Tag in die Wahl mitnehmen - Malu ist eine echte Powerfrau.

Bettina Brück, Bernkastel-Kues/Morbach, 19. Platz: Ich freue mich, meine Arbeit wird gewürdigt. Nachlassen werde ich aber nicht. Es ist mein großer Traum, den Wahlkreis zu gewinnen.

Ingeborg Sahler-Fesel, Trier/Schweich, 23. Platz: Beim letzten Mal stand ich auf dem 36. Listenplatz, jetzt auf der 23. Ich bin sehr stolz, weil das von Wertschätzung zeugt, die ich mir auch als integrations- und familienpolitische Sprecherin erarbeitet habe.

Nadine Zender, Wittlich, 39. Platz: Ich bin zufrieden, auch wenn es - zugegeben - ein wackliger Platz ist. Ich strebe nun das Direktmandat im Wahlkreis an.

Lothar Rommelfanger, Konz/Saarburg, 49. Platz: Es war von Anfang an klar, dass ich als Neuling nicht über einen Listenplatz abgesichert werde. Ich setze jetzt voll und ganz auf den Wahlkreis. flor

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