US-Wahlkampf: Trump im Tief

Washington · Amerikas führende Historiker haben lange überlegt, doch Vergleichbares ist ihnen nicht eingefallen. In der jüngeren Geschichte der USA ist es noch nie passiert, dass ein Präsident einem potenziellen Nachfolger nicht nur jegliche Qualifikation für das Amt absprach, sondern ihn auch als charakterlich untauglich abstempelte.

Genau das hat Barack Obama getan, als er Donald Trump in einer Weise kritisierte, die einem Tabubruch gleichkommt. Der Mann sei ungeeignet, er lasse die nötige Würde vermissen, er leiste sich mehr als nur den gelegentlichen Fauxpas, sondern täglich neue Ausrutscher, sagte Obama und stellte die Frage, wann führende Republikaner ihrem Kandidaten endlich die Unterstützung versagen. Der Politikwissenschaftler Larry Sabato, eine Autorität auf dem Gebiet der Präsidentengeschichte, spricht von einem historischen Präzedenzfall.

Es sei undenkbar, dass Dwight Eisenhower so etwas über John F. Kennedy gesagt hätte oder Lyndon B. Johnson über Richard Nixon, doziert Sabato. In der Chronik amerikanischer Wahlkämpfe muss man zurückblättern bis ins Jahr 1952, um ähnlich schroffe Wortmeldungen von Spitzenleuten zu finden. Damals lästerte der scheidende demokratische Amtsinhaber Harry Truman über Eisenhower, vom Militärbefehlshaber zum republikanischen Bewerber mutiert, der Herr General verstehe von Politik offensichtlich nicht mehr als das Borstenvieh vom Sonntag. Waren seinerzeit Wissenslücken gemeint, so geht es diesmal um das Naturell des Kandidaten. Trump, warnt Obama, sei weder urteilssicher noch ausgeglichen genug, um im Oval Office regieren zu können. Über John McCain und Mitt Romney, 2008 beziehungsweise 2012 seine Widersacher, hätte er Derartiges nie zu behaupten gewagt.

Vorausgegangen war die Fehde des Baulöwen mit Khizr und Ghazala Khan, den Eltern eines im Irak gefallenen US-Soldaten muslimischen Glaubens. Vorausgegangen waren Proteste von Kriegsveteranen gegen den Millionärssohn, der es ärztlichen Attesten und dem Kontaktnetzwerk seines Vaters zu verdanken hatte, dass ihm mitten im Vietnamkrieg die Einberufung erspart blieb. Vorausgegangen war eine Gelbe Karte des gealterten Senators McCain, der sich Trumps diffamierende Worte an die Adresse der Khans verbat. Die Frage ist nun, ob der angestaute Unmut in den Reihen der Konservativen zu einer schleichenden Absetzbewegung führt. Denn die Hoffnung der Parteigranden, den schrillen Populisten vor dem herbstlichen Wahlfinale doch noch irgendwie unter Kontrolle zu bringen, scheint sich gerade in Luft aufzulösen.

Leise Anzeichen für taktische Kehrtwendungen gibt es bereits. Mit Richard Hanna, einem Bauunternehmer aus dem Bundesstaat New York, hat erstmals ein Kongressabgeordneter der "Grand Old Party" angekündigt, dass er am 8. November nicht Donald Trump wählen wird, sondern Hillary Clinton. Meg Whitman, eine Managerin, die das Online-Auktionshaus eBay zu einer Weltmarke ausbaute, war vor vier Jahren eine feste Stütze Romneys, des konservativen Herausforderers Obamas. Auch sie wird im Herbst für Clinton stimmen, obendrein will sie ihr engmaschiges Spendernetz in den Dienst der Demokratin stellen. Der "New York Times" sagte die Kalifornierin, sie stehe ohne Abstriche zu früheren Äußerungen, in denen sie Trump im kleinen Kreis mit Hitler und Mussolini verglich. Diktatoren ebneten sich nun mal häufig mit demokratischen Mitteln den Weg zur Macht.

Die Koryphäen der Republikaner indes halten nach wie vor fest an einem Mann, den sie vor knapp zwei Wochen in Cleveland in die Endrunde des Präsidentschaftsduells delegiert haben. Manche wohl innerlich widerstrebend, aber kaum einer vernehmbar Einspruch einlegend. Ein typischer Fall ist Paul Ryan, der Speaker des Repräsentantenhauses, in dem viele den konservativen Hoffnungsträger des Wahljahres 2020 sehen. Zwar lobt er Trump nicht über den grünen Klee, doch in seinen Augen gebieten es Demokratie und Parteidisziplin, sich nicht offen gegen den unbestrittenen Sieger der Vorwahlen zu stellen. Dass es Ryan bei eher minimalistischer Zustimmung belässt, hat prompt eine Retourkutsche des dünnhäutigen Immobilienmoguls zur Folge. Am nächsten Dienstag muss sich der Speaker in seinem Wahlkreis in Wisconsin einer parteiinternen Primary stellen: Verliert er sie, steht er vor den Trümmern seiner Karriere. Trump lässt süffisant wissen, dass er Ryan vorerst nicht zur Wahl empfiehlt.

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