Volksfreund-Interview mit Bauernpräsident Leo Blum: "Keine Spielwiese für ideologischen Aktionismus"

Trier · Gesetze, Verordnungen, Grenzwerte, Vorschriften: Die deutschen Landwirte und Winzer würden immer mehr geknebelt, sagt der Präsident des Bauernverbands Rheinland-Nassau, Leo Blum. Die Forderung des Eifeler Landwirts im Interview mit Volksfreund-Redakteur Rolf Seydewitz: Die Politik muss umsteuern.

 Landwirte am Dienstag an der Bundesstraße 257 bei Seinsfeld mit ihren Schleppern bei der Arbeit. TV-Foto: Klaus Kimmling

Landwirte am Dienstag an der Bundesstraße 257 bei Seinsfeld mit ihren Schleppern bei der Arbeit. TV-Foto: Klaus Kimmling


Welche Erwartungen haben Sie an den diesjährigen Bauerntag?
Blum: Ich erwarte mir auf dem Deutschen Bauerntag Signale von der Politik: Das geplante Grünlandumbruchverbot und Bewirtschaftungsbeschränkungen - das sogenannte Greening - helfen langfristig weder der Umwelt, der Landwirtschaft noch den Menschen in unserem Land. Die Vertreter der Landwirtschaft werden zu ihrer Verantwortung stehen und weiterhin gesunde Lebensmittel erzeugen und umweltfreundliche Energien bereitstellen. Dies ist aber nur möglich, wenn wir auch noch in den kommenden Generationen ausreichend Flächen nachhaltig bewirtschaften können. Außerdem werden wir auf dem Bauerntag die Chancen der globalen Märkte diskutieren. Hier erwarte ich mir endlich mehr Entgegenkommen seitens der verantwortlichen Politiker auf EU-, Bundes- und Landesebene. Unsere Flächen sind keine Spielwiesen für ideologischen Aktionismus!
Der Bauerntag steht unter dem Motto "Wir leben Verantwortung": Was habe ich mir darunter vorzustellen?
Blum: Wir leben Verantwortung, weil die Bauern viel mehr über unsere Natur wissen, als sich viele Menschen vorstellen können. Wir Landwirte und Winzer wissen genau, was wir tun müssen, um sowohl den Bedürfnissen unserer Mitgeschöpfe Rechnung zu tragen als auch gesunde Lebensmittel zu erzeugen. Wir benötigen aber dringend Entscheidungsfreiräume, um auf wirtschaftliche und Vegetationsentwicklungen in der Natur reagieren zu können. Immer strengere Vorschriften bei der Ausbringung organischer Dünger oder bei baulichen Anlagen führen am Ende dazu, dass Dünger nicht mehr optimal ausgebracht werden können oder Wirtschaftskraft in sinnlosen Baumaßnahmen vernichtet wird. Das hilft weder der Umwelt noch den bäuerlichen Betrieben. Wir haben genügend und auch gute Gesetze. Immer schärfere Gesetze führen zu Missmut, schlechterem Umweltmanagement und wirtschaftlichen Einbußen, die für Investitionen in die betriebliche Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen.
Welche Probleme beschäftigen Bauern und Winzer derzeit am meisten?
Blum: Landwirte und Winzer haben zunehmend das Problem, dass ihre Arbeit mehr und mehr reguliert und kontrolliert wird und dass der Mehraufwand für die Einhaltung der Vorschriften und der Dokumentation zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Bauern haben vielfach das Problem, dass sie ihre baulichen Anlagen, die sie mit immensen Investitionen errichtet haben, durch eine Gesetzesänderung schon nach kurzer Zeit wieder nachrüsten müssen. Dies ist untragbar und gefährdet betriebswirtschaftlich gesehen jede unternehmerische Entscheidung.
Inwiefern ist die Einführung des Mindestlohns vor allem für die regionalen Winzer ein Thema?
Blum: Rebschnitt und Weinlese sind gerade in unseren Steil- und Steilstlagen und auf den kleinen Terrassen nur in Handarbeit zu bewerkstelligen. Jeder Euro mehr für die Lohnstunde müsste letztlich über den Endverkauf, also den Preis pro Flasche Wein, erwirtschaftet werden. Während im Flachlagenweinbau etwa 400 Arbeitsstunden pro Jahr und Hektar benötigt werden, fallen im Steillagenweinbau rund 1000 Arbeitsstunden an. Schon jetzt ist der Steillagenweinbau kaum rentabel. Ein Ausgleich der durch den Mindestlohn entstehenden Mehrkosten allein über den Markt ist kaum möglich, also ist ohne zusätzliche Förderung die Bewirtschaftung der Steillagen-Kulturlandschaft nachhaltig gefährdet. Auch unsere Obstbauern befürchten nicht ausgleichbare höhere Lohnkosten. Schlimmstenfalls müssen die Betriebe aufgeben - und wir müssen unser Obst zukünftig importieren.

Wie werden sich die Milch-, Fleisch- und Getreidepreise in diesem Jahr voraussichtlich entwickeln?
Blum: Nachdem die Schweinepreise in der EU im ersten Quartal 2014 als Folge des russischen Importstopps unter Druck standen, sind die Perspektiven für die Mäster bis zum Sommer positiv. In den vergangenen sechs Monaten war die Schweinemast nicht gewinnbringend. Das hat sich jetzt mit Beginn der Grillsaison zum Positiven geändert. Nachdem die private Rindfleischnachfrage im März durchweg unter den Werten des Vorjahres lag, stieg sie im April teilweise sogar über Vorjahresniveau. Trotzdem müssen die Fleischvermarkter nach wie vor mit eher ruhigen Geschäften zurechtkommen.
Die Nachfrage nach Milch und Milchprodukten war den Jahreszeiten entsprechend normal. Im Zuge der sommerlichen Witterung stieg jetzt zuletzt die Nachfrage. Hier sind stabile Preise, aber keine Höhenflüge zu erwarten. Im Getreidebereich wird eine gute Ernte erwartet.
Welche Erwartungen oder Befürchtungen haben die Bauern und Winzer in Bezug auf das Freihandelsabkommen?
Blum: Viele unserer Produkte wie Milcherzeugnisse, Wurstwaren und Spirituosen erfreuen sich in den USA hoher Beliebtheit, trotz erschwerter Exportbedingungen. Auch die deutschen Winzer hoffen auf eine Erleichterung des Weinexportes in die USA. Jetzt gilt es für die Verhandlungsführer der EU, Einfuhrbeschränkungen der USA abzubauen. Es ist aber auch wichtig, Produktbezeichnungen anzupassen, um eine Irreführung des Verbrauchers auszuschließen.
Stichwort Biobranche: Inwiefern profitieren die hiesigen Bauern von der anziehenden Nachfrage nach Bio-Produkten?
Blum: Die boomende Biobranche speist sich zu 50 Prozent aus Importen. Wir machen uns deshalb Sorgen, dass die deutschen Anforderungen an ökologisch erzeugte Lebensmittel aufgeweicht werden. Die Verbraucher, die ihre ökologisch erzeugten Lebensmittel in Supermärkten oder bei Discountern kaufen, werden sehr häufig nicht über die Produktionsbedingungen in anderen Teilen der Welt informiert. Tierschutz- und Umweltauflagen sind beispielsweise in Nordamerika nicht so hoch und führen somit zu Wettbewerbsvorteilen der dortigen Produzenten. Wer ökologisch erzeugte Produkte bevorzugt, sollte daher auf die Regionalität achten. Es geht schließlich nicht nur um die Erzeugung selbst, sondern auch um die Transportwege. seyExtra

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Rheinland-Pfalz ist in den vergangenen sechs Jahrzehnten drastisch zurückgegangen. Gab es 1949 noch 211 000 Betriebe, waren es vor zwei Jahren nach Angaben des Statistischen Landesamts gerade einmal noch 19 200. Die meisten dieser Betriebe (53 Prozent) wurden als Nebenerwerbsbetriebe geführt. In der Region Trier gibt es die meisten landwirtschaftlichen Betriebe - 1678 - im Kreis Bernkastel-Wittlich. 62 dieser Betriebe sind sogenannte Öko-Betriebe. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm gibt es 1501 landwirtschaftliche Betriebe (51 Öko), im Kreis Trier-Saarburg (inklusive Trier) 1374 (37) und im Vulkaneifelkreis 655 (25) Betriebe. Die Zahl der Weinbaubetriebe im Anbaugebiet Mosel ging von 8600 im Jahr 1979 auf 2670 im Jahr 2010 zurück. seyExtra

Der aus der Nähe von Hillesheim (Vulkaneifelkreis) stammende Leo Blum ist seit Anfang 2000 Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau. Zudem gehört der 67-jährige Blum dem Präsidium des Deutschen Bauernverbands an. Anfang nächsten Jahres endet seine dritte und letzte Amtszeit. sey

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