Wenn der Grenzübertritt ein kostspieliges Knöllchen erspart - Deutsche Beamte dürfen im Ausland nicht einfach Fahrzeuge überprüfen

Trier · Polizisten stellen einen Verkehrssünder, der Tempolimits missachtet und mit seinem Fahrzeug zu geringen Abstand zum Vordermann hält - und dem sie über die luxemburgische Landesgrenze hinweg gefolgt sind. Doch das verhängte Fahrverbot und die Geldbuße werden von zwei Gerichten für ungültig erklärt.

Juli 2013, Ehranger Brücke: Zwei Polizisten in einem zivilen Streifenwagen fällt ein schwarzes Audi Cabriolet auf, das auf der B 52 in Richtung Luxemburg fährt. Der Fahrer hält sich offenbar an kein Tempolimit. Bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 Kilometern in der Stunde zeigt das Messgerät der Polizisten Tempo 167 an.Allerhand Verkehrsverstöße


Bei der Fahrt auf der vierspurigen Autobahn A 64, die auf die B 52 folgt, fährt der Mann mit seinem Auto bis auf wenige Meter auf vorausfahrende Fahrzeuge auf, bis diese die Spur frei machen - und der Audi wieder beschleunigt. Neun Minuten folgen die Beamten dem Fahrzeug und halten dabei mit einem Aufzeichnungsgerät eine ganze Reihe von Verkehrsverstößen fest, die der 34-jährige Fahrer auf dem 17 Kilometer langen Abschnitt begeht.
Kurz vor der Grenze zu Luxemburg reicht es den Polizisten. Sie halten den Audi hinter der Grenze auf dem Rastplatz Wasserbillig auf Luxemburger Seite an und stellen, wie es im Amtsdeutsch heißt, die Personalien des Fahrers fest. Die Konsequenz: Er erhält für das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit um 58 km/h sowie das Nichteinhalten des vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes einen Bußgeldbescheid in Höhe von 350 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot.
Doch mit dem Einspruch, den der Fahrer mit Hilfe von Gerd-Michael Grigo, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Morbach, einlegt, wendet sich das Blatt: Das Amtsgericht Trier spricht den 34-Jährigen frei, das Oberlandesgericht Koblenz bestätigt das Urteil. Denn die Polizisten dürfen dem Beschuldigten nicht einfach nach Luxemburg folgen, sagt Grigo.
Laut dem Schengener Abkommen dürfen Polizisten möglichen Beschuldigten nur bei Verbrechen wie Mord, Raub, schwerer Brandstiftung oder bei Personen, die aus der Haft geflohen sind, ins Ausland nacheilen, wie die offizielle Bezeichnung dafür heißt. So erläutert es auch das Amtsgericht Trier in seinem Urteil. Im vorliegenden Fall lag weder eine dieser Straftaten vor, noch haben die Beamten das für solche Fälle geregelte Procedere eingehalten, sagt die Richterin.
Mit anderen Worten: Die Beamten seien dem Autofahrer wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit ins Nachbarland gefolgt. "Das Festhalten des Betroffenen und seine Identitätsfeststellung waren unzulässig", führt die Richterin aus.

"Deshalb darf die Beweisführung, die in Luxemburg erhoben wurde, also die Feststellung der Personalien, vor Gericht nicht verwertet werden", sagt Grigo. Damit missbilligt das Amtsgericht Trier nach Auffassung des Anwalts eine jahrzehntelange Praxis der rheinland-pfälzischen Verkehrsüberwachung.
"Die Nacheile ins Ausland wegen Ordnungswidrigkeiten im Verkehr ist ein Verstoß gegen höherrangiges Völkerrecht", erklärt er. Selbst bei einem erlaubten Grenzübertritt, also etwa bei der Nacheile auf einen möglichen Straftäter, hätten die deutschen Beamten spätestens bei Erreichen der deutsch-luxemburgischen Grenze Kontakt mit ihren Kollegen im Nachbarland aufnehmen müssen, sagt die Richterin. Das hatten sie nicht getan.Fehlende Kennzeichnung


Zudem müssen die nacheilenden Polizisten als solche eindeutig erkennbar sein. Das bedeutet: Sie müssen also Uniform tragen oder das Fahrzeug als Polizeifahrzeug kennzeichnen. "Das Tragen von Zivilkleidung und die Benutzung eines getarnten Polizeifahrzeugs ohne die vorgenannte Kennzeichnung ist nicht zulässig", heißt es in der Urteilsbegründung.
Uwe Konz, Leiter der Pressestelle des Trierer Polizeipräsidiums, verweist in einer Stellungnahme auf die enge Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden benachbarter Staaten. Der aktuelle Vorfall und die daraus resultierenden Gerichtsentscheidungen seien bereits zum Anlass genommen worden, den Beamten im Rahmen von Dienstbesprechungen nochmals die Rechtslage zu verdeutlichen und diese entsprechend zu sensibilisieren.
Keine statistische Erfassung


Ob es sich bei dem verhandelten Fall um einen einmaligen Vorgang handelt, oder ob Polizeibeamte Beschuldigten schon öfter nach Luxemburg nachgefahren sind, lässt Polizeisprecher Konz offen: "Eine statistische Erfassung der Grenzübertritte durch deutsche oder ausländische Polizeibeamte im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten oder aus anderen Einsatzanlässen erfolgt nicht."Extra

Einen spektakulären Fall von Nacheile hat es im April 2013 in der Eifel gegeben. Damals flüchteten Täter, die im Schneifelort Bleialf auf Zivilpolizisten geschossen hatten, über die Grenze nach Belgien. Wenige Stunden nach den Schüssen wurden die Täter nach einer gemeinsamen Fahndung durch deutsche und belgische Polizisten in einem Waldstück zwischen Breitfeld und St.Vith verhaftet. cst

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