Wie die Geliebte eines Priesters liebt und leidet

Trier · Es ist der Stil des neuen Papstes, der viele deutsche Katholiken aufatmen lässt. Franziskus öffnet Handlungsspielräume und Türen, es gibt keine Denkverbote mehr. Ob es auch zu konkreten Neuerungen etwa beim Zölibat für Priester kommt, bleibt aber offen. Wie sehr Frauen, die heimlich mit Priestern zusammen sind, unter der jetzigen Situation leiden - ein Gespräch mit einer Betroffenen.

Trier. Katharina S. (Name geändert) liebt seit 16 Jahren einen Priester. Sie ist Sprecherin der "Initiativgruppe vom Zölibat betroffener Frauen" und tauscht sich dort mit Gleichgesinnten aus. Mit dem Trierischen Volksfreund sprach die Theologin über Heimlichtuerei und ihr Leben mit einem katholischen Priester.Als Paar nur in der Familie


"Wir haben uns in der kirchlichen Jugendarbeit kennengelernt", sagt sie. Schnell habe sie sich, damals knapp 20 Jahre alt, in seiner Nähe sehr wohl gefühlt, schleichend habe sie sich in den katholischen Geistlichen verliebt. "Aber das Verliebtsein durfte nicht sein", erinnert sich die Theologin. Doch es war. Mit Sätzen wie "Wenn wir uns mal längere Zeit nicht sehen, erledigt es sich vielleicht von selbst" oder "Vielleicht lerne ich noch einen Anderen kennen" hat Katharina S. versucht, sich zu beruhigen.
Doch weder andere Männer noch längere Phasen des Getrenntseins konnten ihrer Liebe etwas anhaben - der katholische Pastor und Katharina S. wurden ein unzertrennliches Paar. "Unsere beiden Wohnungen liegen 25 Kilometer auseinander, regelmäßig besuchen wir uns heimlich", sagt die Kirchenangestellte.
"Dass wir befreundet sind, wissen viele." Als Paar würden sie nur innerhalb ihrer beiden Familien auftreten, die die Beziehung unterstützten, oder bei ganz engen Freunden. Alle anderen werden belogen: Etwa, wenn die Katholikin gefragt wird, warum sie keinen Freund hat. Oder wenn sie nach einem gemeinsamen Urlaub mit dem Priester Alibi-Reisebegleiter aus dem Hut zaubert. "Man ist gewohnt, Ausreden parat zu haben", sagt Katharina S.
Ein Doppelleben zu führen, sei sehr belastend. Die Begegnung mit Gleichgesinnten am Stand der Initiativgruppe vom Zölibat betroffener Frauen während des Katholikentages vor ein paar Jahren sei für sie ein Segen gewesen. Mittlerweile ist Katharina S. sogar Sprecherin der Gruppe, die es seit 30 Jahren gibt.
Eine Frau, die ebenfalls einen katholischen Priester liebte, hatte damals eine Anzeige in einer Zeitschrift aufgegeben, in der Hoffnung, nicht die Einzige zu sein, die ein Tabu bricht, und um sich mit Leidensgenossinnen auszutauschen. Seitdem haben sich laut Katharina S. Hunderte von betroffenen Frauen gemeldet und Unterstützung erfahren.
Ein bis zwei Treffen finden jährlich statt, das nächste Anfang April. Froh ist die Sprecherin der Initiative, dass sie nie einen Kinderwunsch hatte. "Dann würden auch noch Kinder mitleiden", sagt sie. Trotz des Austauschs in der Gruppe geht die Heimlichtuerei offenbar nicht spurlos an dem Liebespaar vorbei.Seit zwei Jahren Paartherapie


Katharina S. und ihr Pfarrer, der Anfang 50 ist, machen seit zwei Jahren eine Paartherapie. "Wir haben dort festgestellt, dass die Situation uns stärkt und zusammenschweißt", sagt die Geliebte, die es in der katholischen Kirche nicht geben darf. Angst, erwischt zu werden, habe sie keine, aber manchmal Zukunftsangst.
Demnächst plant sie eine berufliche Auszeit. "Ich möchte nach beruflichen Alternativen für uns beide suchen", sagt sie. Mit dem Bekenntnis zu ihrer Beziehung stünden beide Existenzen auf dem Spiel. Denn in der katholischen Kirche gibt es nur ein Entweder-Oder. Katharina S. hofft, dass sich am Pflichtzölibat etwas ändert. Nicht nur aus Eigennutz. Sie ist der Überzeugung, dass es ohne die verordnete Keuschheit und Ehelosigkeit eine andere Qualität von Priestern geben würde. "Priester, die im Leben stehen, haben einen realistischeren Blick auf das, was die Menschen bewegt ", meint sie.
Schuldgefühle hat sie wegen ihrer Liaison mit dem Geistlichen nicht. "Doch ich könnte nur schwer mit dem Gedanken leben, wenn er seinen Beruf aufgeben und ich ihn der Gemeinde wegnehmen würde", sagt Katharina S. Denn er sei ein guter, sehr beliebter Priester. An manchen Tagen könne sie es gut ertragen, wenn er in ihrer Kirche Messen hält. Aber manchmal würde sie sich am liebsten leidend in der Kirchenbank verkriechen. An Trennung denken beide nicht.Extra

Der Zölibat ist im Christentum das Versprechen, für das weitere Leben die Verpflichtung zur Ehelosigkeit zu übernehmen. In der Initiativgruppe vom Zölibat betroffener Frauen treffen sich Frauen, die eine heimliche Beziehung zu einem katholischen Priester leben oder gelebt haben, die Priesterkinder allein erziehen oder die mit einem Priester verheiratet sind oder verheiratet waren. "Wir wissen, es gibt sehr viele Frauen, denen es so ähnlich geht wie uns", heißt es auf der Homepage. "Genaue Zahlen, wie viele Priester eine heimliche Beziehung leben, gibt es keine. Die Erfahrung zeigt aber, dass es nicht nur Einzelfälle sind", sagt Katharina S. Vom Zölibat betroffen sind auch die Kinder aus den Beziehungen. (kat)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort