Wie die USA in Osteuropa die Muskeln spielen lassen - Flugzeuge aus Spangdahlem europaweit im Trainingseinsatz

Spangdahlem · Sowohl die USA als auch Russland demonstrieren entlang der Nato-Grenzen derzeit ihre militärische Macht. Die amerikanischen Geschwader aus Spangdahlem und Ramstein sind trotz der Entfernung ein wichtiger Teil des Geschehens.

Spangdahlem. Keine zwei Jahre ist es her, dass hohe russische Militärs auf der Airbase Spangdahlem fröhlich plauschend Kaffee tranken und Muffins aßen, ehe sie mit Interesse beobachteten, wie schnell Amerikaner Raketen unter einem F-16-Kampfjet anbringen können. Im Juni 2013, als eine Gruppe von Mitgliedern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa über den Stützpunkt geführt wurde, da herrschte noch Friede, Freude, Eierkuchen. Der US-Kommodore verbreitete mit lockeren Sprüchen gute Laune. Und Brigadegeneral Thomas Sharpy, einer der höchsten US-Militärs in Europa, sagte: "Ein Tag wie dieser zeigt, dass wir uns vertrauen."
Seitdem hat sich die Welt verändert. Die gleichen F 16 rücken nun zu Übungsmanövern in Osteuropa aus, die Wladimir Putins Russland zeigen sollen, wie hoch die "readiness" der USA ist. Die Einsatzbereitschaft. Rund 100 "Airmen" und sechs Kampfjets aus Spangdahlem sowie eine Einheit aus Ramstein waren im März für zwei Wochen in Rumänien, wo sie unweit der Grenze zur Ukraine an einem bilateralen Flugtraining mit der rumänischen Luftwaffe teilnahmen. Auch eine Schar von Medienvertretern wurde nach Campia Turzii eingeladen, um darüber berichten zu können, wie gut die Zusammenarbeit mit dem Nato-Partner funktioniert. Das Training sei "absolutely fantastic", sagte Lt. Col. Ryan Nudi, Sicherheitschef des 52. Jagdgeschwaders - nachzulesen in einer Pressemeldung der Air Force. Simuliert wurden unter anderem Luftgefechte mit russischen Mig-Kampfjets.
Angesichts der Ukraine-Krise nehmen die USA entlang der östlichen Nato-Grenze nicht nur mit Bodentruppen, Panzern, Flugzeugen und Kriegsschiffen an ungewöhnlichen Trainings in der Luft, an Land oder im Schwarzen Meer teil. Sie erhöhen im Rahmen der Ein-Milliarden-Dollar-Operation Atlantic Resolve auch ihre Militärpräsenz in Europa. "Wir wollen der Welt zeigen, dass die Nato stark ist und zusammenhält", sagt US-Generalkonsul Kevin C. Milas bei einem Besuch der Volksfreund-Redaktion in Trier. Es sei im 21. Jahrhundert nicht akzeptabel, dass ein Land dem anderen Gebiete gewaltsam abnehme.Aus Arizona in die Eifel


Die erste Maßnahme der Operation ist in der Region Trier gut zu sehen und zu hören: Die "Warzenschweine" sind zurück. Mitte Februar verlegte die Air Force zwölf A-10-Kampfflugzeuge mit rund 300 Militärangehörigen aus dem US-Bundesstaat Arizona in die Eifel. Sie sollen dort ein halbes Jahr bleiben, ehe sie gen Osten weiterziehen. Zwischenzeitlich trainieren sie nicht nur am Himmel über der Region. Im März waren ein paar von ihnen für Nato-Trainings in England. Geplant sind aber auch Flüge in Litauen, Estland, Rumänien oder Bulgarien. Und über Ramstein wird das Betanken in der Luft geübt. Für die "Warzenschweine" bedeutet der Einsatz eine Rückkehr: Es handelt sich um die gleichen Maschinen, die die Eifel 2013 vermeintlich für immer verlassen hatten. 20 Jahre lang waren 21 Flugzeuge zuvor in Spangdahlem stationiert gewesen.
Wichtigster Einsatzzweck der vergleichsweise langsam und tief fliegenden Maschinen ist die Unterstützung von Bodentruppen. Da sie für die Air Force als Waffe gegen Panzer immer noch sehr wichtig sind und es bisher keinen Ersatz gibt, sind sie trotz ihres hohen Alters (die meisten Flugzeuge wurden in den 1970er und 1980er Jahren gebaut) weiter im Dienst. Konstruiert wurden sie, um russische Panzer zu zerstören - und so besitzen sie nicht nur Durchschlags-, sondern auch Symbolkraft.
"Die A 10 sollen die US-Truppen im Verteidigungsfall in Polen oder den baltischen Staaten unterstützen", sagt der Politikwissenschaftler Hans-Joachim Schmidt von der hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Da sie in der Luft zu betanken sind, seien auch größere Entfernungen kein Hindernis. Der Berliner Rüstungsexperte Otfried Nassauer hingegen sieht die vorübergehende Stationierung im weit vom Krisengebiet entfernten Spangdahlem eher als Symbol, das signalisieren solle: "Wir könnten auch noch mehr." Ein Zeichen der Stärke also. "Das wirkt eskalierend", sagt Nassauer.
Russland reagierte auf die militärischen Aktivitäten der Nato-Länder entlang seiner Grenze mit großen Alarmübungen, an denen 38 000 und mehr Angehörige der Streitkräfte teilnahmen und im Zuge derer zum Teil Militärgerät und Verbände auch in Richtung Westen verlegt wurden. "Das macht man nur, wenn man sich bedroht fühlt oder Stärke demonstrieren will", sagt Schmidt. Wie früher zu Zeiten des Kalten Krieges fliegen russische Jets nun auch wieder häufiger an die Grenzen der Nato-Staaten heran, um zu testen, wie schnell die Luftverteidigung reagiert.
Die Zeiten, in denen man in Spangdahlem gemeinsam Muffins aß und militärische Informationen austauschte, scheinen lan ge zurückzuliegen.Spangdahlem:

Extra

Schon jetzt leben 56 000 US-Soldaten und -Zivilisten in Rheinland-Pfalz. In Zukunft werden es noch deutlich mehr, da die Stützpunkte Spangdahlem und Ramstein wachsen. Die Landesregierung jubelt. Doch nicht alle sind froh über die Entwicklung. Spangdahlem: Nachdem in den vergangenen Jahren zwei Flugzeugstaffeln aus der Eifel abgezogen worden waren, sorgte sich so manch heimischer Politiker um die Zukunft des Luftwaffenstützpunktes Spangdahlem. Inzwischen steht fest, dass Rheinland-Pfalz für die USA weiterhin eine strategisch wichtige Rolle spielen wird. Während 15 andere US-Einrichtungen in Europa aus Kostengründen von der Landkarte verschwinden, wird die Airbase Spangdahlem, auf der derzeit 4500 Militärangehörige und gut 1000 Zivilbeschäftigte (darunter 850 Deutsche) arbeiten, weiter wachsen. Sie soll um 1300 Soldaten verstärkt werden. Zudem werden aus Mildenhall in England 20 Flugzeuge in die Eifel verlegt: zehn Maschinen vom Typ Bell-Boeing CV-22 ("Fischadler"), die wie Hubschrauber vertikal starten und landen können. Und zehn Lockheed-Transportflugzeuge. Ab Oktober 2015 wollen die USA weitere 40 Millionen Dollar in den Standort investieren. Seit 1994 flossen mehr als eine Milliarde Dollar in den Ausbau der Airbase, die mit Schulen, Einkaufszentren, Restaurants, Tankstellen, einem Kino, einer Klinik und einem Golfplatz die Infrastruktur einer Kleinstadt bietet. Der Standort Ramstein soll KC-135-Tankflugzeuge und 700 zusätzliche Soldaten aufnehmen. Weitere 500 Soldaten sollen Einrichtungen in Landstuhl und Sembach unterstützen. Keine konkreten Zusagen gibt es bisher für Baumholder. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz, der immer wieder in die USA gereist ist, um für die Standorte zu werben, bezeichnet Rheinland-Pfalz als Gewinner der Umstrukturierung. "Die US-Streitkräfte erfüllen eine wichtige Aufgabe für den Arbeitsmarkt und die regionale Wirtschaft", sagt er. Schließlich lebten derzeit 56 000 US-Soldaten, -Zivilisten und Familienmitglieder in Rheinland-Pfalz. Und 7500 Rheinland-Pfälzer seien bei den Streitkräften beschäftigt. Doch nicht alle denken so positiv über diese Entwicklung. "Es ist beschämend, wie Lokalpolitiker und Bürgermeister nur den finanziellen Profit im Blick haben - Lärm und Abgase für die Anwohner und vor allem die Kriegsführungsfunktion werden totgeschwiegen", sagt zum Beispiel Markus Pflüger von der AG Frieden Trier. kah

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