„Wir sind tief enttäuscht“: Grüne wollen hohen Verlust an Stimmen aufarbeiten

Mainz · Das hätten sich die Grünen vor Wochen auch nicht träumen lassen. Bis in den späten Abend hinein mussten sie um den Einzug in den Landtag zittern. Auf der Wahlparty kommt nur einmal wirklich Stimmung auf.

"Wird das nicht voller hier?" Mit weit aufgerissenen Augen starrt eine Fernsehjournalistin ihren Kameramann an und wundert sich laut über die gähnende Leere bei der Wahlparty der Grünen. Es ist, als ob viele Anhänger der Partei ahnen würden, was sie erwartet. Zu schlecht waren die jüngsten Umfragen. Und die Grünen, die kommen, gucken noch halbwegs gelassen auf den Bildschirm, über den um 18 Uhr die erste Hochrechnung flimmert: 5,5 Prozent werden den Grünen vorausgesagt. Die Reaktionen? "Puuuh", "Uff" und "Lasst uns anstoßen." Spontane Erleichterung, obwohl die Partei am Abend dann noch um den Einzug in den Landtag zittern muss. Anders die Spitzenkandidaten. Als Eveline Lemke und Daniel Köbler um 18.32 Uhr die Bühne betreten, verraten ihre Mienen, was das Ergebnis bedeutet. Köbler steht regungslos auf dem Podium, seine Augen wandern langsam durch den Raum, während Lemke spricht. "Wir sind tief enttäuscht", sagt sie.

Bei der Landtagswahl 2011 fuhren die Grünen noch 15,4 Prozent der abgegebenen Stimmen ein. Jetzt ist das Ergebnis auf ein Drittel zusammengeschrumpft. Die Atomkatastrophe von Fukushima habe den Grünen damals viele Wähler gebracht, sagt Lemke. In diesem Jahr hätten zwei Faktoren gegen ihre Partei gesprochen. "Die Flüchtlingspolitik und die Zweitstimmen-Kampagne der SPD für Malu Dreyer."

Einige Wähler der Grünen stimmen zu. Doch nicht alle schließen sich der Meinung an, dass nur der zugespitzte Zweikampf ums Ministerpräsidentenamt schuld am Debakel der Grünen ist. Eine Frau kritisiert, dass die Partei auf den letzten Metern des Wahlkampfes einfallslos gewesen sei.

"Die Schlagkraft hat gefehlt. Zum Schluss wurden den Wählern keine guten Gründe genannt, warum sie Grün ihre Stimme geben sollten." Die Parteispitze müsse das Ergebnis nun aufarbeiten.

Ob sie selber Konsequenzen ziehen werden, darüber sagen Lemke und Köbler nichts. Nur so viel: "Wir werden den hohen Verlust an Stimmen analysieren." Offen hält sich das Spitzenduo die Möglichkeit, in ein Regierungsbündnis mit der SPD und der FDP zu gehen. Anton Hofreiter, der Vorsitzende der Grünen im Bund, sagt: "Die Entscheidungen überlassen wir traditionell den Ländern." Womöglich ärgert sich der 46-Jährige insgeheim, dass er an diesem Abend in Mainz und nicht in Stuttgart ist. Dort fahren die baden-württembergischen Grünen ein Rekordergebnis ein. Als die Stuttgarter Zahlen über den Bildschirm laufen, gibt es auch bei der rheinland-pfälzischen Wahlparty etwas Jubel und wahrscheinlich viel Wehmut.

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