Wo die Bundeswehr half, wird gebombt

Kundus/Kabul · In der afghanischen Hauptstadt Kabul verüben Extremisten die schwersten Anschläge seit Jahren. Dann greifen die Taliban in Kundus an - wo sich die Lage seit dem Bundeswehr-Abzug dramatisch verschlechtert hat.

Kundus/Kabul. Die radikalislamischen Taliban überziehen Afghanistan mit einer Welle der Gewalt. Nach einer verheerenden Anschlagserie in Kabul riss ein Selbstmordattentäter der Extremisten in der nordafghanischen Provinz Kundus mindestens 25 Menschen mit in den Tod. 21 der Opfer seien Angehörige einer regierungsfreundlichen Miliz gewesen, sagte Provinz-Polizeisprecher Sarwar Hussaini. Zudem seien vier Zivilisten getötet worden, als der Attentäter sein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug nahe einer Versammlung der Miliz zur Explosion brachte.
Am Freitag waren bei der schwersten Anschlagserie seit Jahren in der Hauptstadt Kabul nach jüngsten Angaben mindestens 53 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden.
Die Taliban beschrieben die Versammlung im Distrikt Chanabad in Kundus als "wichtige Zusammenkunft von Anti-Taliban-Milizionären". Die Sicherheitslage in Kundus ist schlecht, die Provinz wurde kürzlich fast von den Taliban überrannt. Die Bundeswehr war vor knapp zwei Jahren aus Kundus abgezogen.
Die Taliban-Kämpfer griffen eine Basis der Nato-geführten Ausbildungsmission Resolute Support (RS) an, die in der Nähe des Bundeswehr-Lagers im Viertel Kasaba liegt. Dabei wurde auch ein US-Soldat getötet. Die Taliban bekannten sich zu den Anschlägen in Kundus und vor der Polizeiakademie sowie dem Angriff auf RS-Soldaten, wiesen aber jede Verantwortung für die Lastwagenbombe zurück.
USA sagen Unterstützung zu


Die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, telefonierte am Samstag mit dem afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani wegen der Anschlagserie. Dabei sagte sie ihm anhaltende Unterstützung der Vereinigten Staaten im Kampf gegen den Terrorismus zu.
In Kundus stellen sich lokale Milizen den Taliban entgegen. Sie stehen allerdings in der Kritik, weil einige von ihnen Zivilisten ermordet haben sollen und illegal Steuern eintreiben.
Der Welle der Gewalt war ein Führungswechsel bei den Taliban vorausgegangen Dabei zeigten sich Anzeichen innerer Konflikte. So verweigerte die Familie des bisherigen Taliban-Chefs Mullah Omar dem neuen Anführer Achtar Mohammad Mansur die Gefolgschaft und begründete dies mit Differenzen.
Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) sagte im Deutschlandradio Kultur, der Machtkampf innerhalb der Taliban und der Streit über Friedensgespräche zwischen Taliban und Regierung spielten möglicherweise eine Rolle bei der jüngsten Gewalt.
In der nordostafghanischen Provinz Badachschan hängten unterdessen nach Regierungsangaben Taliban-Kämpfer eine 27-jährige Mutter wegen einer angeblichen außerehelichen Beziehung.
Die Frau sei von einem Taliban-Gericht im Unruhedistrikt Wardudsch der Vorwürfe für schuldig befunden worden, sagte der Sprecher der Provinzregierung, Nawid Frotan, am Sonntag. Die dreifache Mutter sei daraufhin am Samstag vor ihrem Ehemann, ihrer Familie und anderen Bewohnern des Dorfes Teergaran hingerichtet worden.
Die Taliban äußerten sich zunächst nicht. Die Bundeswehr war 2012 aus der Provinz Badachschan abgezogen.

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