Zweijähriger Trierer entkommt knapp dem Tod: Mutter wirbt mit tragischer Geschichte für neue Vorsorge-Impfung

Trier · Die Impfung gegen Meningokokken B ist eine freiwillige Leistung der Krankenkassen. Bricht die Infektion aus, gibt es kaum eine Krankheit mit ähnlich dramatischem Verlauf. Das zeigt auch die Geschichte des kleinen Felix.

 Mit seiner Mutter Jessica spielt Felix am liebsten. Wenige Monate nach seiner Meningokokken-Erkrankung ist der Zweijährige wieder ein lebensfroher Junge.

Mit seiner Mutter Jessica spielt Felix am liebsten. Wenige Monate nach seiner Meningokokken-Erkrankung ist der Zweijährige wieder ein lebensfroher Junge.

Foto: Rainer Neubert

Felix ist ein lebhaftes Kind. Wenn der Zweijährige mit strahlenden Augen Aufmerksamkeit einfordert, ist das unwiderstehlich. "Er ist jetzt wieder wie früher", freut sich Jessica Braun und strahlt mit ihrem Sohn um die Wette. Es war im Dezember, als Bakterien - Meningokokken B - innerhalb weniger Stunden aus dem kerngesunden Kleinkind ein Häufchen Elend machten, das um sein Leben kämpfte. Mit den Folgen der aggressiven Infektion wird Felix immer leben müssen: Seine Beine wurden oberhalb der Knie amputiert. Ein halber Daumen und die Kuppe eines Ringfingers fehlen. "Ich erzähle unsere Geschichte, weil ich will, dass die Menschen von dieser Krankheit erfahren und ihre Kinder durch eine Impfung schützen", sagt die alleinerziehende 26-jährige Mutter des Jungen.
Am 7. Dezember wird sie von der Tagesmutter gebeten, ihren Sohn abzuholen. "Er hatte erhöhte Temperatur und musste sich zu Hause erbrechen, deshalb habe ich die Kinderärztin angerufen." Ein Magen-Darm-Infekt liegt als Ursache nahe. Schlaf ist dafür oft die beste Medizin. Als das Fieber auf über 40 Grad ansteigt, hilft ein Fieberzäpfchen. "Beim Wickeln habe ich dann am Nachmittag stecknadelkopfgroße Punkte am Körper von Felix entdeckt und noch einmal bei der Kinderärztin angerufen, die mich sofort einbestellt hat." Als die junge Mutter kurz nach 16 Uhr ins Sprechzimmer kommt, ist der Junge kaum noch ansprechbar. "Ich habe ihm die Hose heruntergezogen, da hat die Ärztin sofort Alarm geschlagen."

Vom Warten und Hoffen

Dann geht alles sehr schnell: Mit dem Krankenwagen wird Felix sofort in die Kinderabteilung des Mutterhauses der Borromäerinnen gebracht. "Da sind Ärzte und Krankenschwestern ins Zimmer gestürzt. Ich war komplett abgeschrieben." Wie knapp ihr Sohn dem Tod entrinnen wird, weiß sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, auch wenn sie mitbekommt, dass Felix inzwischen auf der Intensivstation behandelt wird. Immer wieder wird ihre Bitte abgelehnt, zu ihm gehen zu dürfen. "Jetzt noch nicht!" Als Chefarzt Dr. Wolfgang Thomas mit Jessica Braun spricht, ist es 20.30 Uhr. "Der Arzt hat mir gesagt, dass alles für den Jungen getan worden ist. Er müsste sich jetzt selbst helfen." Thomas wird später auch sagen, dass Felix vermutlich nicht überlebt hätte, wäre er nur eine Stunde später in die Klinik gekommen.
Am Abend wird die junge Mutter endlich zu ihrem Sohn geführt. Der Anblick ist für sie unwirklich, ein Schock. Denn Blutergüsse übersäen den regungslosen Körper des Kleinen. Vor allem die Beine sind eine einzige blauschwarze Masse. Auch in den kommenden zwei Tagen schwebt Felix in Lebensgefahr, ist nicht ansprechbar. "Das Einzige, was du als Mutter machen kannst, ist warten und hoffen, dass der kleine Körper und die Organe die vielen Medikamente überstehen." Am vierten Tag in der Klinik ist der rechte Fuß abgestorben, mumifiziert. "Der linke Fuß war weiß und fühlte sich eiskalt an." Für die Ärzte ist inzwischen klar, dass der Junge seine Beine verlieren wird. So wird er zwei Tage vor Weihnachten in die Uniklinik in Köln gebracht. Am Silvestertag nehmen Spezialisten das linke Bein unterhalb des Knies ab. Es ist die erste von insgesamt 14 Operationen unter Vollnarkose in den kommenden Wochen. Am 2. Januar folgt das rechte Bein. In Salamitaktik wird immer mehr von dem abgestorbenen Gewebe entfernt, bis oberhalb der Knie endlich die Aussicht besteht, die Stümpfe zu schließen. Auch die abgestorbene Haut an den Oberarmen wird entfernt und die Wunden mit Verpflanzungen aus der Kopfhaut gedeckt.

Impfung wäre möglich gegen die Krankheit
"Sobald die Beine ab waren, ging es Felix wieder besser", erinnert sich seine Mutter. "Er war wieder da!" Weitere Untersuchungen ergeben zudem keinen Hinweis darauf, dass die lebensbedrohliche Bakterieninfektion auch das Gehirn des Jungen geschädigt haben könnte. "Gott sei Dank!" Am 17. Februar kommt Felix mit seiner Mutter schließlich wieder nach Hause, in das kleine Appartment in Trier-Süd.
"Das Gefühl des Ankommens war komisch", sagt Jessica Braun, die nun nach einer kleinen Wohnung sucht, die für den lebhaft über den Boden rutschenden Felix weniger Gefahren birgt. "Ich hatte keine Angst, mit Felix etwas verkehrt zu machen. Aber wie würden die Leute reagieren, wenn sie ihn sehen?" Denn auch im Gesicht trägt der Junge noch Folgen einer Erkrankung, gegen die er nun immun ist.
"Ich versuche, nicht auf die Blicke der Leute zu achten. Aber natürlich wird gefragt, was mit ihm passiert ist." Jessica Braun erzählt dann von Meningokokken B und der Möglichkeit, sich zu schützen, auch wenn einige Krankenkassen diese Impfung noch nicht bezahlen. "Hätte ich nur davon gewusst, dann wäre Felix das alles erspart geblieben", bedauert die 26-Jährige, die sich nun so lange wie möglich nur um ihren Sohn kümmern wird.
In der Uniklinik Heidelberg bekommt Felix bald die ersten Prothesen. Dann wird er Laufen lernen. Der quirlige Strahlemann ist von all der Aufmerksamkeit begeistert. Mit großen Augen verzaubert er seine Mitmenschen. Er ist wieder fast so wie vor dem 7. Dezember.Hilfe für Felix:

Für alle, die Felix und seiner Mutter helfen wollen, gibt es bei der Stiftung Rehkids ein Konto: DE39 5855 0130 0001 0273 90 (TRISDE55XXX); Betreff Felix. Bitte für Spendenbescheinigung Adresse angeben. Reguläre Hilfeleistungen gibt der Verein Nestwärme, der auch eine Hotline eingerichtet hat: 0651-99201220; helfen@nestwaerme.de
Hintergrund

 Ein Sonnenschein trotz seiner schweren Erkrankung: Felix.

Ein Sonnenschein trotz seiner schweren Erkrankung: Felix.

Foto: Rainer Neubert

Über die Impftermine für Kinder gibt der Kalender der Ständigen Impfkommission (Stiko) Auskunft. Aber auch Erwachsene sollten ihre Impfungen auffrischen, um sich und andere zu schützen.

Eine lebensbedrohliche Erkrankung an Meningokokken B kann auch Jugendliche und Erwachsene treffen. Die aggressiven Bakterien, die sich im Nasen-Rachenraum ansiedeln, werden durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Bei einem krankhaften Infekt verdoppeln sich die Bakterien jeweils innerhalb von 20 Minuten. Der Körper versucht dieser Überflutung alles entgegenzusetzen, was zu akuter Blutvergiftung führt, die letztlich Organe und Gewebe absterben lässt.

Die offizielle Impfempfehlung der Stiko beschränkt sich derzeit auf Personen mit erhöhtem Risiko wie Krankenhaus- und Laborpersonal. Sobald die notwendigen umfassenden klinischen Studien zu dem noch neuen Impfstoff Boxsero vorliegen, gilt die Einstufung als Routineimpfung für Säuglinge als sicher.

"Ich habe meine Kinder impfen lassen", antwortet Chefarzt Dr. Wolfgang Thomas auf die Frage, wie sinnvoll er die Vorsorge mit dem noch neuen Impfstoff hält. Bis zu fünf dieser schweren Infektionen gebe es jährlich in der Region. "Ich habe schon einige Patienten daran sterben sehen."

Generell wirbt Thomas für konsequentes Impfen. Impfstoffe seien besser und verträglicher als früher. "Eltern fordern ihr Kind nicht mehr als im täglichen Leben, in dem es sich gegen Hunderte Keime wehren muss."

Weitere Informationen:
www.mutterhaus/impfen <br /> Einen weiteren Artikel zu Kinderschutzimpfungen und zu der Gefahr auch für Erwachsene finden Sie hier

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort