Der Fluglotse sieht viel - aber längst nicht alles

Trier · Am Himmel über dem Hahn müsse sich etwas ändern, hat die irische Fluggesellschaft Ryanair nach dem über drei Jahre zurückliegenden Beinahe-Zusammenstoß einer ihrer Maschinen mit einem Motorsegler gefordert. Passiert ist danach nichts. Warum eigentlich nicht? Verbesserungsvorschläge gibt es einige.

Der Fluglotse sieht viel - aber längst nicht alles
Foto: ARRAY(0x38257e98)

Wer sich bei der für die Überwachung des Luftraums zuständigen Deutschen Flugsicherung (DFS) erkundigt, wie es denn mit der Sicherheit über dem Hunsrückflughafen Hahn bestellt sei, wird von Ute Otterbein beruhigt. "Es ist ja nicht so, dass da dauernd Kollisionen passieren", sagt die DFS-Sprecherin und fügt hinzu, dass es ja auch auf den Autobahnen gefährlich sei. Und dann verweist Frau Otterbein noch auf eine Statistik, die zeigen soll, dass sie sich das mit der Sicherheit über dem Hahn und anderswo am Himmel über Deutschland nicht einfach nur ausgedacht hat, sondern belegt ist. Danach kommt es bei jährlich rund drei Millionen kontrollierten Flügen über Deutschland in gerade einmal höchstens einer Handvoll Fälle zu einer nicht ungefährlichen Annäherung von zwei Flugzeugen.

Das ist wirklich nicht viel. Nur: Wer in einem solchen Flugzeug gesessen hat und nun den Eindruck nicht los wird, dem Tod noch einmal gerade so von der Schippe gesprungen zu sein, der wird sich durch solche Zahlenspielereien kaum beruhigen lassen. Den beschäftigt wahrscheinlich eher die Frage, warum sich in einem so penibel überwachten Luftraum wie dem deutschen große und kleine Flieger so gefährlich nahe kommen können, ohne dass dies jemand rechtzeitig bemerkt.

Im Fall der über dem Hahn beinahe mit einem Motorsegler kollidierten Passagiermaschine konnte der Fluglotse den Ryanairpiloten nicht warnen, weil er den Segelflieger nicht auf dem Monitor sah. Hätte der Segelflieger einen Transponder aktiviert, was in der Flugsituation nicht vorgeschrieben war, wäre er auf dem Radar sichtbar gewesen.Da bewährt sich das Warngerät

Der im saarländischen Marpingen gestartete Segler hatte allerdings ein Kollisionswarngerät an Bord, das ihn auf die Passagiermaschine in der Nähe aufmerksam machte. Kurze Zeit später sahen der 65-jährige Pilot und seine neben ihm sitzende Ehefrau auch schon die in zehn Kilometer Entfernung in ihre Richtung fliegende Maschine. Der Segelflieger drehte nach links ab und flog dann aber weiter in Richtung der Boeing, um auf mögliche Flugmanöver reagieren zu können. Eine richtige Entscheidung, urteilt jetzt die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in ihrem Untersuchungsbericht. Die Experten machen in dem zwölfseitigen Bericht zwar keine Schuldzuweisungen, geben aber einen Hinweis, wie solche Situationen künftig zu vermeiden wären - "durch die konsequente Nutzung der schon heute zur Verfügung stehenden Mittel". Gemeint ist wohl eine Transponderpflicht.

Bei der Pilotenvereinigung Cockpit hat man einen anderen Vorschlag: Passagierflugzeuge sollten nur in Ausnahmefällen durch den Luftraum E (siehe Stichwort) geleitet werden, sagt Sprecher Markus Wahl. Die Zusammenstoßgefahr sei dort einfach zu groß. Sollte es einen Bereich geben, in dem Passagierflugzeuge regelmäßig in diesem Luftraum fliegen, müsse dieser "dringend angepasst" werden. Das könnte bedeuten, dass Segelflieger oder Motossegler in dem betreffenden Gebiet gar nicht mehr oder nur noch unter starken Auflagen fliegen dürfen.

Der Beinahe-Zusammenstoß von 2013 war übrigens nicht der erste Zwischenfall dieser Art über dem Hunsrückflughafen. Anfang 2010 wäre eine aus Spanien kommende Ryanair-Maschine beim Landeanflug fast mit zwei Segelfliegern kollidiert. Die Piloten des Passagierflugzeugs sagten, sie hätten nicht mehr ausweichen können, weil sie die direkt unter einer Wolke fliegenden Segelflugzeuge zu spät gesehen hätten. Dabei waren sie vom Fluglotsen zuvor mehrmals "über ein aktives Segelfluggebiet" informiert worden.Extra

Der Luftraum über Deutschland gleicht einem großen Puzzle. Er ist in Klassen eingeteilt, die mit Buchstaben von A bis G gekennzeichnet werden. Bei der Nutzung der Lufträume müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein und Regeln eingehalten werden. Es wird zwischen kontrolliertem und unkontrolliertem Luftraum unterschieden. Jeder Pilot, der nach Instrumentenflugregeln (IFR) fliegt, wird von den Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) kontrolliert. Fliegt der Pilot nach Sichtflugregeln (VFR) und nicht nach Instrumenten, ist er selbst dafür verantwortlich, den Abstand zu anderen Flugzeugen einzuhalten. Der Luftraum E (Echo) ist in Deutschland für VFR- und IFR-Flüge zugelassen. Um die Gefahr von Zusammenstößen zu vermeiden, müssen VFR-Flieger in diesem Luftraum acht Kilometer weit sehen und einen deutlichen Abstand zu den Wolken einhalten. seyExtra

Wie nahe sind sich Passagiermaschine und Motorsegler gekommen? Die Experten haben dies anhand des Flugdatenschreibers der Boeing und des GPS-Geräts des Seglers ermittelt. Ergebnis: Die Entfernung zwischen beiden Flugzeugen betrug 350 Meter bei einem Höhenunterschied von 50 Metern. sey

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