Forscher vermissen inhaltliche Akzente und sprechen von "schrillem Ton": Die AfD im rheinland-pfälzischen Landtag

Mainz · Seit fast fünf Monaten sitzen 14 AfD-Abgeordnete im Mainzer Landtag. Wo setzt die Partei bislang Schwerpunkte? Der TV fasst den Start der AfD zusammen. Die Partei hat schon hitzige Debatten im Parlament ausgelöst.

Die AfD-Parteimitglieder touren in den Herbstferien durch Rheinland-Pfalz, um Werbung in eigener Sache zu machen. Was die AfD im Visier hat, verdeutlicht eine Powerpoint-Präsentation: Opposition gegen ein "verkrustetes Kartell der etablierten Parteien" zu bieten und "Politik für das eigene Volk" zu machen.

Was im Landtag passiert: AfD-Redebeiträge entfachten schon Streit - besonders wenn es um Asylpolitik ging. Fraktionschef Uwe Junge erntete heftige Kritik, als er einen von "Rot-Grün tolerierten massenhaften Import von Analphabeten und Sozialfällen" anprangerte. Die FDP ärgerte der Ton zur Hahn-Affäre: Sie solle das sinkende Schiff der rot-gelb-grünen Koalition verlassen, ehe sie mit den "Seelenverkäufern" absaufe. Schwer hat es die AfD bislang, sich gegen den Widerstand im Parlament durchzusetzen. Mit ihrem einzigen Gesetzentwurf, der Volksbefragungen erleichtern sollte, scheiterte sie. Wie auch mit Anträgen, in denen sie die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank anprangerte, die tägliche Beflaggung von Schulen forderte und für ein Verbot der Vollverschleierung eintrat. Fleißig präsentiert sich die AfD, wenn sie sich an die Regierung richtet. Von 598 kleinen Anfragen hat die AfD bislang 145 gestellt. Damit liegt sie hinter der CDU (400) und vor den Koalitionsparteien Grüne (30), SPD (17) sowie FDP (6). Was die AfD einbringt, reicht von wirtschaftlichen Fragen wie den Folgen eines britischen Binnenmarkt-Ausschlusses für rheinland-pfälzische Unternehmer bis zur Frage, wie viele HIV-infizierte Flüchtlinge es gibt. Der Streit um Einfluss des türkischen Staats auf den Moscheenverein Ditib verleitete die AfD früh, den Abbruch von Verhandlungen über einen Staatsvertrag und eine Überprüfung des Vereins durch den Verfassungsschutz zu fordern.

Das sagen Politikforscher: Der Ton im Landtag sei schriller geworden, meint der Trierer Parteienforscher Uwe Jun. Die AfD charakterisiert er als "nationalkonservativ mit sehr eindeutigen rechspopulistischen Tendenzen". Ausländerkritische Aussagen rückten aber nicht so stark in den Vordergrund wie in ostdeutschen Landesverbänden. Politikprofessor Ulrich Sarcinelli führt das darauf zurück, dass die politische Kultur in Rheinland-Pfalz gemäßigter und sensibler sei. Auch Fraktionschef Uwe Junge trage dazu bei. Er habe als Soldat die ,psychologische Kriegsführung' gelernt und wisse Worte klüger einzusetzen als die AfD anderswo. Inhaltlich sei die AfD noch nicht in Erscheinung getreten, sagen beide Forscher.

Das sagt die AfD: Fraktionschef Uwe Junge nennt die Kritik, die AfD sei rassistisch, einen "haltlosen Vorwurf", den das Grundsatzprogramm nicht hergebe. Junge: "Äußert sich jemand in dieser Hinsicht, gehen wir rigoros vor und schließen die Leute aus." Radikalität passe nicht zu einer "bürgerlich-konservativen, patriotischen Partei", wie er die AfD nennt. Den scharfen Ton im Landtag verteidigt er. "In der Politik muss man auch mal zuspitzen, plakativ sein, Dinge beim Namen nennen." Inhaltlich werde die AfD wahrgenommen und betreibe "keine Fundamentalopposition". Erst jüngst habe man gegen die Freihandelsabkommen Ceta und TTIP gestimmt - ähnlich wie die Grünen. Junge hebt hervor, die rheinland-pfälzische Fraktion sei geschlossen. Negativschlagzeilen wie in Thüringen oder Sachsen-Anhalt habe es nicht gegeben. Öffentlich halte er sich dazu mit Statements zurück. "Intern sage ich aber meine Meinung und werde deutlich."

Lesen Sie hier , inwiefern die AfD die Union vor Herausforderungen stellt.Ein Interview zum Thema AfD mit SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer finden Sie hier .

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