Keine Geständnisse, nur Vorwürfe: Ehemaliger Leiter der Trierer Handwerkskammer weist jegliche Schuld von sich

Koblenz/Trier · Im Prozess um den möglichen Subventionsbetrug an der Trierer Handwerkskammer in den Jahren 2003 bis 2008 wirft der Hauptangeklagte der Staatsanwaltschaft vor, entlastende Zeugenaussagen und Unterlagen teilweise absichtlich nicht berücksichtigt zu haben. Der ehemalige Leiter der HWK fordert einen Freispruch.

Jahrelang haben die vier Angeklagten eng zusammengearbeitet. Jetzt würdigen sie sich kaum mehr eines Blicks. Der wegen Subventionsbetrug angeklagte ehemalige Hauptgeschäftsführer der Trierer Handwerkskammer, Hans-Hermann K., sein damaliger Stellvertreter Josef A., der Ex-Leiter des Umweltzentrums der HWK, Theo B., und ferner der Ex-Leiter der Zentralabteilung haben sich offenbar nicht mehr viel zu sagen. Zum Verhandlungstermin vor dem Koblenzer Landgericht hat jeder seinen eigenen Anwalt mitgebracht. Und die jeweils stapelweise Unterlagen. Bei den Vertretern von K. und A. füllen die Akten, die die Unschuld ihrer Mandanten nachweisen sollen, gleich ganze Reisekoffer voll.

Damit alle und alles im kleinen Sitzungssaal 136 der vierten großen Strafkammer für Wirtschaftsstrafrecht Platz findet, müssen flugs noch zwei Tische hereingetragen werden. Dann beginnt der Prozess, dessen Ursprünge mittlerweile acht Jahre zurückliegen. Im Herbst 2007 waren die ersten Unregelmäßigkeiten im Umweltzentrum der Handwerkskammer bei der Abrechnung von Fördergeldern durch Recherchen des TV ans Tageslicht gekommen. Vor Beginn der Hauptverhandlung hatte der Vorsitzende Richter Torsten Bonin sich mit der Staatsanwaltschaft und den vier Rechtsanwälten der Angeklagten zusammengesetzt. Ziel des Gesprächs sollte ein sogenannter Deal sein: Milde Strafe gegen umfängliches Geständnis.

Das Verfahren, das bis mindestens Ende 2016 angesetzt ist, hätte durch die Absprache verkürzt werden können. Doch alle vier Angeklagten machen einen Strich durch die Rechnung: Keiner ist zu einem Geständnis im Sinne der Anklage bereit (siehe Extra). Der Hauptangeklagte K. streitet sogar jegliche Schuld ab. Sein Anwalt kündigt an, für seinen Mandanten einen Freispruch zu fordern: "Die Vorwürfe der Anklage sind unbegründet und haltlos", erklärt Verteidiger Philipp Grassl. Mit sicherer Stimme und bis ins Detail äußert sich K. zu jedem Vorwurf der mehr als 50 Seiten dicken Anklage.

"Falsche Abrechnungen unter meiner Beteiligung hat es nicht gegeben, ich habe mich nicht strafbar gemacht", lautet der Tenor seiner Verteidigung. Mal sei alleine der Mitangeklagte B. für die gefälschten Abrechnungen von Projektgeldern verantwortlich gewesen. Und bei jenem Projekt, bei dem K. selbst in der Lenkungsgruppe gesessen habe, habe er nur Gesamtkonzept und Ziele festgesetzt. "Die konkreten Abrechnungen und die Zuweisung, welcher Mitarbeiter wie viele Stunden in dem Projekt mitgearbeitet hat, damit hatte ich nichts zu tun. Ich habe lediglich meine Unterschrift darunter gesetzt", beteuert K.

Der Vorwurf, dass für Handwerksmeister Zuschüsse eingeworben wurden, obwohl diese nie in den geförderten Projekten mitgearbeitet haben, sei unhaltbar: Die Mitarbeiter könnten sich entweder nicht richtig erinnern und hätten auch gar keinen Einblick gehabt, bei welchen Projekten sie eingesetzt worden seien - weshalb ihre Zeugenaussagen nicht stichhaltig seien. K. wirft der Staatsanwaltschaft mehrfach vor, entlastende Zeugenaussagen und Dokumente, die seine Unschuld angeblich nachweisen, teilweise absichtlich nicht berücksichtigt zu haben. Andere Aussagen hätten die Ankläger zu seinen Lasten falsch ausgelegt. Auch dem jetzigen Hauptgeschäftsführer der Kammer, Manfred Bitter, wirft K. vor, falsche Aussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft gemacht zu haben.

"Ich habe mich nicht strafbar gemacht!", betont K., der von 1978 bis zu seiner Beurlaubung und anschließender Zwangspensionierung 2008 die Trierer Handwerkskammer geleitet hat. Fertig wird K. mit seiner Verteidigungsrede am ersten Verhandlungstag nicht: Bei Prozessende um 16 Uhr hat er gerade einmal 80 seiner 170 vorbereiteten Seiten vorgetragen. Zu den schweren Vorwürfen, die er bis dahin bereits gegenüber der Staatsanwaltschaft erhoben hat, wollten sich Oberstaatsanwalt Wolfgang Bohnen und sein Kollege Matthias Saal gestern nicht äußern.

EXTRA

Hätten sich Staatsanwaltschaft und Angeklagte im April beim Vorgespräch mit Richter Bonin auf einen Deal geeinigt, hätte dieser für die beiden Hauptangeklagten K. und A. bei einem umfänglichen Geständnis eine maximale Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung vorgesehen. Für den Mitangeklagten B. stand eine Maximalstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung plus Geldstrafe im Raum. Beim vierten Angeklagten, dem eine viel geringere Tatbeteiligung vorgeworfen wird, wäre bei einem Geständnis sogar eine Einstellung des Verfahrens möglich gewesen. Keiner der Angeklagten ist allerdings auf den Deal eingegangen. woc

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