Keine Wechselstimmung, trotzdem wird es eng: Regierungsbildung im Land könnte schwierig werden

Mainz · Klar ist, dass nichts klar ist: Auch nach der neuesten Umfrage zu Landtagswahl ist alles offen. Für eine Fortsetzung von Rot-Grün reicht es demnach nicht. Doch eine große Koalition will in Mainz auch keiner so richtig.

Kaum waren am Donnerstagmorgen die Ergebnisse der neuesten Wahlumfrage im Auftrag des SWR auf dem Markt, ging das Gezänk um die Deutungshoheit los. "Fest steht eins: Die Leute wollen, dass Malu Dreyer MP bleibt", twitterte SPD-Generalsekretär Jens Guth und spielte damit auf die hohen Sympathiewerte von Dreyer bei der Umfrage an. 53 Prozent würden die SPD-Spitzenkandidatin wählen, wenn es eine Direktwahl gäbe. "Reden Sie sich die Umfrage nur schön. Ergebnis wäre, dass SPD die MP nicht mehr stellt. Rot-Grün ohne Mehrheit", die SPD wolle ja nur von ihren mageren 31 Prozent ablenken, ätzte kurz drauf CDU-Generalsekretär Patrick Schnieder via Twitter zurück.

Während sich die Sozialdemokraten darüber freuen, dass die Zustimmung für Rot-Grün mit 61 Prozent so hoch wie noch nie ist, jubelt die CDU, dass sie mit 37 Prozent Wahlsieger wäre: "Eine Regierungsbildung käme nur unter christdemokratischer und Julia Klöckners Führung zustande", sagt Schnieder, verschweigt dabei aber, dass sie gegenüber der Dezember-Umfrage zwei und seit September sogar vier Prozentpunkte verliert.

Während der Trierer Parteienforscher Uwe Jun den Grund für die Verluste der Union in der Unzufriedenheit vieler Parteimitglieder mit der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin sieht, sieht der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer das Minus um zwei Prozentpunkte im Rahmen eines Stichprobenfehlers. Wie erklärt es sich aber, dass die Zufriedenheit mit der rot-grünen Landesregierung so hoch ist, sich das aber nicht in den Umfragewerten für die beiden Parteien niederschlägt? "Die aktuelle Landesregierung wird vergleichsweise wenig durch aktuelle Probleme belastet, aber die SPD ist als große Regierungspartei schon sehr lange an der Macht", sagt Arzheimer.

Jun sieht als einen Grund für die paradoxe Situation, dass die rot-grüne Landespolitik den Erwartungen der Wähler entspreche: "Es geht aber nicht darüber hinaus." Man habe den Eindruck, es gebe keine Wechselstimmung im Land, sagt Jun. Doch bis zum 13. März könne sich das noch ändern.

Arzheimer sieht die SPD noch vor einem schwierigen Weg: "Um die Lücke von aktuell sechs Punkten zwischen CDU und SPD zu schließen, müssten die Wahlkampfeffekte der nächsten Wochen ungewöhnlich stark sein." Es sei aber selten, dass sich ein großer Teil der Wähler bewusst von einer der Regierungsparteien abwendet, um einen Machtwechsel zu erzwingen: "Das geht meistens auf große politische Skandale oder Konflikte zurück", sagt Arzheimer.

Die SPD gibt sich jedenfalls kampfbereit: "Wir können Wahlkampf", sagte Parteichef Roger Lewentz und fügt hinzu: "Wir setzen auf Sieg" und auf die Fortsetzung von Rot-Grün. Ein rot-rot-grünes Bündnis. Gut möglich, dass sich die Grünen jedoch alle Optionen offen halten. Denn selbst führende Grünen-Politiker schließen nicht völlig ein Bündnis mit der CDU aus. Passend dazu der Rat aus dem Nachbarland Hessen, vom dortigen Vize-Regierungschef Tarek Al-Wazir (Grüne). Er warnt seine Parteifreunde in Rheinland-Pfalz vor einer "Ausschließeritis" und fordert sie auf, im Landtagswahlkampf kein Bündnis von vornherein auszuschließen. Die hessischen Grünen regieren seit fast zwei Jahren gemeinsam mit der CDU.

Nach den Umfragen vom Donnerstag würde es für Schwarz-Grün in Rheinland-Pfalz genauso wenig wie für Rot-Grün reichen. Am wahrscheinlichsten scheint derzeit eine große Koalition. "Wir werden im Wahlkampf noch erleben, dass sich die heutigen Regierungsparteien darum streiten, wer unter Julia Klöckner mit der CDU weiter regieren darf", prophezeien die rheinland-pfälzischen Linken. Ob sie den Sprung in den Landtag schaffen ebenso wie die FDP (beide Parteien liegen in der Umfrage bei fünf Prozent) halten sowohl Jun als auch Arzheimer für eher unwahrscheinlich. Der Mainzer Politikwissenschaftler geht sogar davon aus, dass es die AfD trotz der prognostizierten acht Prozent nicht schaffen wird. Die Umfrage sei nur ein Stimmungsbild, sagt Arzheimer. Für Jun hingegen besteht kein Zweifel, dass die AfD in den Landtag kommt.

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