Polizei und Justiz gucken in die Röhre: Was die CDU am Koalitionsvertrag der Ampel kritisiert

Mainz. · Zu wenig Personal, eine schlechte Ausstattung und jede Menge Unverbindliches – das sind nach Ansicht der CDU-Fraktion die Kennzeichen des rot-gelb-grünen Koalitionsvertrags in den Bereichen Polizei und Justiz. Von einer liberalen Handschrift sei rein gar nichts zu sehen.

Es war schon auffallend, wie sehr es die beiden rheinland-pfälzischen CDU-Landtagsabgeordneten Christian Baldauf und Matthias Lammert gestern auf die Liberalen abgesehen hatten. Zufall oder Absicht? Natürlich gebe es dafür keinen besonderen Grund, wehrten die Parlamentarier eine entsprechende Frage ab, Sparringspartner seien "alle drei". Alle drei - das sind die seit einer Woche gemeinsam regierenden Mitglieder der neuen Landesregierung: Sozialdemokraten, Liberale und Grüne. Ihr gemeinsamer Koalitionsvertrag liegt schon einen ganzen Monat vor. Doch die womöglich vom Wahldebakel immer noch etwas traumatisierte CDU hat sich Zeit genommen, um den 140 Seiten umfassenden Vertrag zu studieren, wie der stellvertretende Fraktionschef Christian Baldauf gestern vor Journalisten erklärte. Dafür soll der Ampelvertrag nun - Themenbereich für Themenbereich - von den entsprechenden CDU-Fachpolitikern analysiert, oder wohl besser gesagt verhackstückt werden.

Den Auftakt macht der Bereich Inneres und Justiz, der Fraktionsvize Baldauf nach eigenen Angaben an das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern erinnert. "Da ändert sich gegenüber der vergangenen Legislaturperiode nichts", meinte Baldauf, die rot-grüne Handschrift werde einfach fortgesetzt. Dabei hätten die Liberalen im Wahlkampf 1000 zusätzliche Stellen bei der Polizei versprochen. "In dem Punkt hat die FDP rein gar nichts durchgesetzt", meinte der am Dienstag als innenpolitischer Sprecher der CDU bestätigte Matthias Lammert. Die im Koalitionsvertrag genannte Zahl von jährlich 500 neuen Polizeianwärtern sei schon von der alten Landesregierung beschlossen worden und reiche nicht aus, um 9000 Vollzeitstellen zu erreichen. Forderung der CDU: mindestens 300 zusätzliche Stellen für die nächsten Jahre. Gleichzeitig befürchtet die CDU, dass bei der Polizei Angestelltenjobs gestrichen werden könnten, um den geplanten Stellenabbau in der Landesverwaltung von insgesamt 2000 Jobs zu erreichen. Das Dementi von Malu Dreyer folgte prompt: "Wir werden doch nicht das, was wir auf der einen Seite aufbauen, hintenherum wieder kaputtmachen", sagte Dreyer unserer Zeitung.

Kritik: Wie werden Polizisten geschützt?

Ein anderer Punkt, der der CDU im Koalitionsvertrag übel aufstößt: Das Thema Gewalt gegen Polizisten werde völlig ausgeklammert. "Was ist aus den Körperkameras für Polizisten geworden, mit denen die SPD im Wahlkampf noch geworben hat?", fragt Matthias Lammert. Nach Angaben von Ministeriumssprecher Joachim Winkler wurden inzwischen insgesamt 100 Bodycams angeschafft. Das auf alle Präsidien ausgeweitete Pilotprojekt laufe bis Mitte des Jahres. Bis dato seien die Erfahrungen "durchweg positiv", sagt Winkler unserer Zeitung. Ähnlich wie bei der Polizei sieht es nach Meinung der CDU-Politiker auch bei der Justiz aus. Der Koalitionsvertrag bedanke sich zwar "für überobligatorische Leistungen", so Christian Baldauf, doch einen Hinweis, wie die Überlast zu bewältigen sei, gebe es nicht; mehr Richterstellen schon gar nicht.

Und wieder gab es einen Seitenhieb auf die Liberalen: Dafür, dass die FDP mit Herbert Mertin den Justizminister stelle, sei der Bereich im Koalitionsvertrag "insgesamt sehr anspruchslos", kritisiert die CDU. Eine nette Umschreibung für eine ziemlich miese Zeugnisnote.Extra ADD

Warum musste die Präsidentin der Trierer Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), Dagmar Barzen (52), ihren Sessel räumen? "Es gibt keinen Anlass, dass ich das kommentiere", sagte am Dienstag Ministerpräsidentin Malu Dreyer unserer Zeitung. Sie könne politische Beamte ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand schicken. "Ich hatte zu Frau Barzen ein gutes Verhältnis", sagt Dreyer wörtlich, aber es habe Gründe gegeben, warum die Entscheidung so getroffen worden sei. Die seit 2011 amtierende ADD-Präsidentin war mit der Kabinettsumbildung durch Thomas Linnertz (40), Ministerialdirektor im Mainzer Innenministerium, ersetzt worden. Beide gehören der SPD an, Linnertz ist zwölf Jahre jünger als seine Vorgängerin. Aus SPD-Kreisen ist zu hören, dass man Barzen den Umbau der Mittelbehörde nicht zugetraut habe. Dreyer wollte sich dazu auf Nachfrage nicht äußern. Bei den oberen und obersten Landesbehörden will die neue Regierung insgesamt 600 Stellen einsparen. Eine Steuerungsgruppe soll dazu jetzt Vorschläge erarbeiten und erste Ergebnisse bereits bis Ende August präsentieren, sagte Dreyer gestern in Mainz. seyKritik vom Deutschen Richterbund

Viel zu wenige Richter und Staatsanwälte gibt es in Rheinland-Pfalz nach Ansicht des Deutschen Richterbundes. "Es fehlen mindestens 40 Richter und 20 Staatsanwälte im Land", sagte der Landesvorsitzende des Verbandes, Thomas Edinger, bei einer Tagung in Trier. Die Überlastung sei der Sparpolitik des Landes geschuldet. In den vergangenen Jahren seien kontinuierlich Stellen abgebaut worden: 2013/2014 seien es 40 Stellen gewesen, 2015/2016 jährlich noch mal zehn Stellen. In Rheinland-Pfalz gebe es an Amts-, Land- und Oberlandesgerichten derzeit rund 645 Richter. Die Zahl der Staatsanwälte belaufe sich auf rund 250. Das Justizministerium erklärte, dass sich der neue Minister Herbert Mertin (FDP) zunächst persönlich ein umfassendes Bild der Personalsituation machen wolle, bevor er dazu konkrete Aussagen mache. dpa

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