Spott, Häme und ein Scherbenhaufen: Warum auf dem Nürburgring nicht mehr gerockt wird

Trier/Nürburg · Mit Frust und Ärger, aber auch Spott und Häme reagieren Fans auf den Umzug des Festivals Grüne Hölle vom Nürburgring in die Arena nach Gelsenkirchen. Dahinter steckt eine Serie von Konflikten, die Geschichte schreiben wird.

Es hätte ein Jahrhundertereignis werden können, das die Welt der Rockmusik so noch nie erlebt hat. Zwei dreitägige Megafestival im Abstand von nur einer Woche in derselben Region - ein solches Zusammentreffen hat es noch nie gegeben, weder vor noch nach Woodstock. Doch am Ende sitzen alle Beteiligten fassungslos vor einem gigantischen Scherbenhaufen.

Der Plan: Veranstalter Marek Lieberberg und der Düsseldorfer Automobilzulieferer Capricorn, der den Nürburgring 2014 gekauft hatte, konnten sich nicht auf eine weitere Zusammenarbeit einigen. Lieberberg nahm deshalb nach im Sommer 2014 nach 29 Jahren Abschied vom Nürburgring und zog mit seinem Festival nach Mendig im Landkreis Mayen-Koblenz um, wo er vom 5. bis zum 7. Juni mit Slipknot, den Toten Hosen und den Foo Fighters Premiere feiern will.
Capricorn holte unterdessen die Deutsche Entertainment AG (Deag) mit ins Boot, um am Nürburgring ein neues Festival zu starten. Dieses sollte als Grüne Hölle vom 29. bis zum 31. Mai und damit eine Woche vor Lieberbergs neuem Rock am Ring ablaufen - mit Superstars wie Metallica, Muse und den Großvätern von Kiss. Zwei große Festivals an aufeinander folgenden Wochenenden mit einer Distanz von nur 60 Kilometern zueinander - das war der Plan. Für viele Kritiker war er von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Kommentar zum Rockfestival Grüne Hölle: Zu recht bestraft

Das Problem: Die Fans hielten Marek Lieberberg ohne eine Sekunde des Zögerns die Treue und stürzten sich auf Tickets für Mendig, während die Grüne Hölle offenbar kaum jemand sehen wollte. Über die Ursachen und Folgen dieses Missverhältnisses gehen die Meinungen der ehemaligen Vertragspartner Capricorn und Deag weit auseinander.

Das sagt Capricorn: "Die Deag hat die erwarteten Leistungen nicht erbracht", sagt Pietro Nuvoloni, Sprecher der Capricorn Nürburgring GmbH (CNG). "Sie ist als Veranstalter für die gesamten Marketingaktivitäten und die Ticketverkäufe verantwortlich und hat letztlich die gesetzten Ziele eklatant verfehlt." Der jahrelange überragende Erfolg von Rock am Ring zeige, dass dies nicht am Veranstaltungsort liegen könne. "Wir bedauern diese Eskalation und hoffen, vor allem im Interesse der Fans noch zu einer vernünftigen Lösung zu kommen." Doch eine weitere Zusammenarbeit ist sehr unwahrscheinlich, denn die Deag fordert von Capricorn eine Beteiligung an den bisher geflossenen Werbungskosten und Künstlergagen in Höhe und spricht von Vertragsbruch.

Das sagt die Deag: Im Prinzip sind es nur fünf Worte: Dann ziehen wir eben um. "Der Grund für den Umzug des Festivals in die Veltins-Arena nach Gelsenkirchen ist der Vertragsbruch der Capricorn Nürburgring GmbH, die sich entgegen der vertraglichen Vereinbarungen zu keinem Zeitpunkt an den Zahlungen für Künstlergagen und Werbemaßnahmen beteiligt hat", sagt Deag-Sprecher Michael van Almsick. Genaue Zahlen nennt er nicht. Die Wirtschaftswoche hatte berichtet, das den bisherigen Gesamtkosten von 3,5 Millionen Euro nur 800?000 Euro an Vorverkaufserlösen gegenüber stehen.
"Sämtliche Kosten für das Festival wurden allein von der Deag beglichen, inklusive der Vorauszahlungen für die Künstlergagen", sagt van Almsick. "Die Deag hat sich deshalb entschieden, die gemeinsame Durchführung des Festivals am Nürburgring aufgrund der Vertragsverletzung der CNG aufzukündigen und die Veranstaltung nach Gelsenkirchen zu verlegen."

Das sagen die Fans: Eine Online-Umfrage des TV auf Facebook hatte ein eindeutiges Ergebnis: "Wir geben unsere Karten zurück", meldeten die Teilnehmer und kritisierten die Akteure hart. "Die Schalke-Arena ist nicht der Ring", schrieb ein Leser. Der schlechte Kartenverkauf sei die passende Antwort darauf gewesen, "langjährige, angestammte Veranstalter samt Traditionsveranstaltungen vom Acker jagen ", schrieb ein weiterer. Noch härter ist der Ton auf dem offiziellen Facebook-Profil des Festivals Grüne Hölle. Die Kommentatoren überziehen die Entscheider auf dem Nürburgring mit Spott und Häme.

Das ist zu tun: Wer ein Ticket für die Grüne Hölle auf dem Nürburgring gekauft hat, kann sich zwischen mehreren Optionen entscheiden. Nummer eins: Er oder sie gibt es einfach zurück. Nummer zwei: Er tauscht es gegen ein Ticket für Rock im Revier in der Arena auf Schalke und erhält damit Zugang zum Innenraum, der mehr Festivalatmosphäre verspricht als ein Sitzplatz auf den Stadionrängen. Nummer drei: Er tauscht es gegen ein Ticket für Rockavaria in München. Rockavaria ist das Parellelfestival zu Rock im Revier und läuft vom 29. bis 31. Mai mit Metallica, Muse und Kiss im Olympiapark München.

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