"Aggressiv und gefährlich"

Weil er im vergangenen August eine Prostituierte beinahe erstochen hat, muss ein 19-jähriger Wittlicher für acht Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Das hat gestern Nachmittag das Trierer Landgericht entschieden. Die Verteidigerin des Opfers kündigte an, gegen das Urteil Revision einzulegen.

Trier. Der 19-jährige Angeklagte verzieht keine Miene, als der Vorsitzende Richter Rolf Gabelmann am Montagnachmittag um kurz nach 15 Uhr das Urteil verkündet: "Acht Jahre und drei Monate Haft wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung." Insgeheim mag der junge Wittlicher aufatmen. In ihren Plädoyers hatten sowohl Staatsanwalt Eric Samel als auch Anne Bosch, die Rechtsanwältin des Opfers, deutlich höhere Strafen gegen den Angeklagten gefordert.Und auch Gabelmann, Vorsitzender der fünfköpfigen Ersten Großen Jugendkammer, findet in seiner knapp halbstündigen Urteilsbegründung nur wenige wohlwollende Worte für den Täter. Er sei "hochaggressiv", sagt Gabelmann, "gefährlich" und "unkontrolliert".Ähnlich drastisch - als "tickende Zeitbombe" - hatte auch das Opfer den 19-Jährigen am ersten Verhandlungstag beschrieben. Der wegen Körperverletzung bereits mehrfach vorbestrafte Wittlicher hatte die 46-jährige Prostituierte vergangenen August in ihrem Wohnmobil überfallen und neun Mal auf die "arg- und wehrlose" Frau eingestochen. Danach nahm der 19-Jährige dem Opfer das Handy ab und türmte. Nur weil die schwer verletzte Frau über ein zweites Handy Hilfe rufen konnte, kam sie mit dem Leben davon. Sie ist heute an den Rollstuhl gefesselt, hat Angstzustände und Schlafstörungen und lebt von Hartz IV.Der Vorsitzende Richter Rolf Gabelmann bezeichnete den Angeklagten als "voll schuldfähig" und "geistig gesund". Die Kammer folgte den Empfehlungen der Sachverständigen, die sich für eine Verurteilung des 19-Jährigen nach dem (milderen) Jugendstrafrecht ausgesprochen hatten. In das Urteil floss noch eine erst vor eineinhalb Jahren vom Amtsgericht Bitburg verhängte achtmonatige Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung mit ein. Staatsanwalt Eric Samel sagte unserer Zeitung, er sei mit dem Urteil zufrieden. Ähnlich äußerte sich auch die Verteidigerin des Angeklagten, Sandra Buhr: "Ein faires Urteil." Ihr Mandant könne die Zeit im Gefängnis für einen Schulabschluss und eine Therapie nutzen. Anne Bosch, Rechtsanwältin des Opfers, kündigte an, Revision gegen das Trierer Urteil einzulegen. Meinung Kein Urteil im Namen des Volkes "Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil…" Das sagt ein Richter, bevor er einen Angeklagten verurteilt oder ihn freispricht. "Im Namen des Volkes" wurde auch der 19-jährige Wittlicher zu einer gut achtjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Der mehrfach Vorbestrafte hat eine völlig wehrlose Frau überfallen, brutalst auf sie eingeschlagen und eingestochen. Ein Wunder, dass das Opfer dies überlebt hat. Die Frau ist ein Krüppel - lebenslänglich. Und der Täter bei guter Führung nach ein paar Jahren wieder draußen. Das war kein Urteil "im Namen des Volkes".

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