Allein unter Männern

TRIER. Von einer Männerdomäne in die nächste: Nach mehreren Jahren als Personalleiterin in der freien Wirtschaft hat Andrea Gerards die "Branche" gewechselt. Seit zweieinhalb Jahren entscheidet sie beim Bistum Trier über alle nicht geistlichen Einstellungen.

5.30 Uhr. Der Wecker klingelt. Duschen, Frühstück machen, die Kinder wecken, gemeinsam frühstücken und die älteste Tochter in die Schule fahren. Die erste Hürde des Tages hat Andrea Gerards um 8 Uhr erfolgreich gemeistert. Endlich mal Zeit, in aller Ruhe eine Tasse Kaffee zu trinken und die Zeitung zu lesen? Fehlanzeige. Für die 39-Jährige geht es nun erst richtig los. Andrea Gerards schafft den Spagat zwischen Familienleben und Karriere. Seit zweieinhalb Jahren ist die Mutter zweier Töchter auf einer Zweidrittel-Stelle für alle Personalentscheidungen im nicht-pastoralen Bereich des Bistums Trier zuständig. Von der Stellenausschreibung über das Bewerbungsgespräch bis hin zur (eher seltenen) Abmahnung oder Versetzung - Andrea Gerards muss all diese Entscheidungen treffen. Darunter, dass sie "nur" donnerstags den ganzen Tag und ansonsten von 8 bis 12.45 Uhr im Büro ist, leidet ihre Arbeit nicht. "Ich mache das in Teilzeit genauso gut als würde ich Vollzeit arbeiten", sagt sie selbstbewusst. Frau mit Einfluss in der Kirche und gleichzeitig Führungskraft in Teilzeitbeschäftigung - das sind gleich zwei Dinge, von denen man glaubt, dass sie nicht machbar sind. Andrea Gerards ist das beste Beispiel, dass es sehr wohl geht. "Familie und Karriere miteinander zu verbinden, wäre in der freien Wirtschaft bedeutend schwieriger gewesen." Doch die Kirche als Arbeitgeberin zu haben, gehörte für sie nicht zu ihrem Karriereplan. Nach dem Studium der Sozialpolitik und des Sozialmanagements zog es die Konzerin in die freie Wirtschaft. Zuerst arbeitete sie bei dem Plattenkonzern EMI Electrola in Köln und wechselte dann als Personalleiterin in die saarländische Niederlassung einer großen Aluminium-Gießerei. Viel Verantwortung, viel Stress, viel Zeit im Auto

Die Arbeit in dieser männerdominierten Branche bedeutete für die Karrierefrau: viel Verantwortung, viel Stress, viele Stunden im Auto und wenig Zeit für ihre beiden Töchter. "Auf Dauer wollte ich das nicht. So lange die Kinder noch klein sind, möchte ich für sie da sein." Denn Teilzeitkraft in führender Stellung - das war nicht möglich, ohne dass entweder Beruf oder Familie darunter hätten leiden müssen. Also kehrte Andrea Gerards der Karriere als Personalleiterin den Rücken. Bereut hat sie diesen Schritt nie: "Ich würde immer wieder dieselbe Entscheidung treffen." Doch ganz auf ihren Beruf wollte "der Personalmensch Andrea Gerards" (Gerards über Gerards) nicht verzichten. Also suchte sie gezielt nach einer Stelle in Trier. Nach einiger Suche stieß sie auf ein verlockendes Angebot: Das Bistum Trier suchte für eine halbe Stelle eine kaufmännische Geschäftsführerin der Kita GmbH. Ein dreiviertel Jahr kümmerte sie sich um die Verwaltung der Kita-Einrichtungen im Bistum. "Das war eine sehr schöne Arbeit, die mir viel Spaß gemacht hat", erinnert sich Andrea Gerards. Vermutlich würde sie heute noch dort arbeiten, wäre sie nicht auf die Ausschreibung ihrer heutigen Stelle als Personalleiterin des Bistums gestoßen. Zwar ist die Bezahlung beim Bistum nicht vergleichbar mit der in der freien Wirtschaft, doch dafür genießt die "Teilzeit-Führungskraft", "dass bei der Kirche der Mensch stärker im Vordergrund steht". Um für die Kirche zu arbeiten, muss sich Gerards nicht verbiegen. "Ich komme aus einem sehr katholisch geprägten Elternhaus und identifiziere mich mit der Kirche", erklärt sie ihren Hintergrund. Allein unter Männern - für Andrea Gerards ist es kein Problem, dass in der katholischen Kirche die meisten Führungspositionen von Männern besetzt sind. "Klar ist die Kirche männerlastig, aber das ist ein generelles und kein kirchentypisches Phänomen", weiß sie aus langjähriger Erfahrung. Bei ihrem früheren Arbeitgeber, der Alu-Gießerei, war sie von 25 Personalleitern im Konzern die einzige Frau. Doch die Kirche hat ihr - im Gegensatz zur freien Wirtschaft - die Möglichkeit gegeben, Kinder und Karriere problemlos unter einen Hut zu bringen. Daher lautet ihr Fazit: "Frauen können in der Kirche sehr wohl Karriere machen, sogar als Teilzeitkraft. Und das kann man ihr gar nicht hoch genug anrechnen."

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