Als der Kaiser den roten Teppich verließ

MAINZ. Besuch des japanischen Kaiserpaares, deutsch-französischer Gipfel, Privataudienz beim Papst: Ingeborg Hoffstadt hat viel Interessantes erlebt und scheidet mit Wehmut. An diesem Montag übergibt die 52-jährige Protokollchefin des Landes nach 14 Jahren im Dienst den Stab an ihren Nachfolger Hans Nowak, 61.

Sie muss Besuche mit viel Diplomatie organisieren, Staatsgäste zuweilen unbemerkt dirigieren - und wenn etwas aus dem Ruder läuft, mit Übersicht und Geschick improvisieren: Eine oft aufregende Arbeit, wie Ingeborg Hoffstadt nach 14 Jahren als Protokollchefin des Landes weiß. Protokollarische Peinlichkeiten sind ihr gottlob erspart geblieben, denn Ingeborg Hoffstadt ist in ihrem Job Perfektionistin. An alles denken, auf möglichst alles vorbereitet sein, hat sich die Diplom-Verwaltungswirtin, studierte Germanistin und frühere Journalistin stets vorgenommen, wenn es Monarchen, Staatspräsidenten oder andere wichtige Gäste in Rheinland-Pfalz zu betreuen galt. Doch vor Überraschungen war auch die Protokollchefin, die nun nach 14 Amtsjahren zur neuen Generaldirektion "Kulturelles Erbe" wechselt und ihr Amt an Stellvertreter Hans Nowak weitergibt, nie gefeit. Für helle Aufregung sorgte beispielsweise der japanische Kaiser Mitte der 90er-Jahre während seines Besuch am Rhein bei seinen Hofbeamten, als er spontan mit Kanzler Helmut Kohl auf die jubelnde Menschenmenge zuging und damit den vorgegebenen Weg verließ. Dabei durfte der Tenno laut Hofzeremoniell doch gar keinen Fuß direkt auf die Straße setzen. Stets war daher ein roter Teppich ausgelegt und im Binger Bahnhof sogar eigens ein kleine hölzerne Eisenbahnbrücke errichtet worden, um den ehemals "göttlichen" Herrscher angemessene Wege zu bieten. Schmunzeln muss Hoffstadt noch heute, wenn sie an den deutsch-französischen Gipfel mit Präsident Jacques Chirac und Kanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000 in Mainz denkt, zudem der französische Premier Lionel Jospin - protokollarisch festgelegt - später dazustieß. Doch der Premier war zu früh und sollte von Hoffstadt spontan zu einem Kaffee ins Landtagsrestaurant umgeleitet werden. Der Landtagspräsident wurde flugs alarmiert und eilte zur Begrüßung herbei. Allerdings stand er mit der Protokollchefin vergeblich Spalier, denn die Wagen des Regierungschefs brausten an ihnen vorbei. Jospin ging dann am Rhein spazieren.Bush-Besuch war größte Herausforderung

Mit zur größten Herausforderung wurde 2005 das Treffen von US-Präsident George W. Bush mit Schröder in Mainz. Ein "schwieriger Besuch", wie Hoffstadt im Nachhinein zurückhaltend formuliert, denn nach monatelangen Vorbereitungen wurde auf Drängen des US-Geheimdienstes die Innenstadt dichtgemacht, Autobahnen blockiert und die Öffentlichkeit ausgesperrt. Es hagelte von Bürgern und Medien Kritik an den amerikanischen Sicherheitsforderungen. "Man muss auch Verständnis aufbringen für die enorme Verantwortung des Secret Service", sagt die Koblenzerin. Bush hat sich später in einem persönlichen Schreiben bei ihr ausdrücklich bedankt. Das entschädigte für das harte Ringen mit seinem Stab. Doch nicht nur für die Protokollbeamten selbst ist das Zeremoniell zuweilen eine Herausforderung. Als Ministerpräsident Kurt Beck sie bei einer Privataudienz im Vatikan Papst Benedikt vorstellte, reagierte der mit verständnisvollem Blick und freundlichen Worten: "Wir wissen um die Schwere dieser Aufgabe." Auch wenn die protokollarischen Anforderungen in Deutschland nicht so streng sind wie im Vatikan, Selbstzweck und reines Ritual sollten sie auch hier nicht sein, betont Hoffstadt. Internationales Protokoll vermeidet Irritationen und überbrückt leichter kulturelle Unterschiede, ist sie sicher. Meist ist es auch Bekundung des Respekts. Dass man sich dabei auch schon mal "mit Sensibilität" über Regeln hinwegsetzen kann, hat Hoffstadt nach eigenen Worten in zwei Fällen bewiesen: Beim Staatstrauerakt für den früheren Justizminister Peter Caesar brachte sie die Ehrenformation gegen die Vorgaben der Bundeswehr dazu, sich mit Barett statt Stahlhelm in der Kirche aufzustellen. Beim Staatsakt für den früheren Wirtschaftsminister Heinrich Holkenbrink in Trier erklang auf Wunsch der Familie das "Kaiserquartett" statt der Nationalhymne in der Kirche. Protokoll ist zum großen Teil Politikmanagement, sagt die scheidende Chefin und denkt mit Amüsement an ihre Erfahrungen mit Beck bei einem deutsch-französischen Gipfeltreffen in Paris zurück. Mit energischem Eintritt und dreifachem unüberhörbaren zeremoniellem Fußauftreten macht an der Seine der Protokollchef klar, das die Unterredung laut Zeitplan beendet ist. Da sind die Deutschen schon etwas weiter, meint Hoffstadt.

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