Amerikaner liebäugeln mit der "allerletzten Möglichkeit"

Washington. Weltweite Debatte um mögliche Schritte gegen die atomaren Ambitionen Irans: In den USA wächst die Zustimmung für einen Militärschlag, falls alle Lösungsbemühungen auf der diplomatischen Ebene scheitern sollten.

Mit dem demokratischen Senator Evan Bayh hat erstmals ein prominenter Oppositionspolitiker die Vorteile einer gewaltsamen Ausschaltung iranischer Nuklear-Forschungsstätten angedeutet. "Es gibt empfindliche Bereiche des Atomprogramms, und wenn man diese angreift, würde das die Entwicklungsbemühungen der Iraner dramatisch verlangsamen", sagte Bayh, ein Mitglied des Geheimdienste-Komitees des US-Senats. Ein Militärschlag sollte allerdings "zu diesem Zeitpunkt noch keine Option sein", fügte der Demokrat hinzu. Bayh erneuerte gleichzeitig seine Kritik an Präsident George W. Bush. Der Präsident hätte angesichts der Bedrohung durch Teheran schon vor Jahren handeln müssen, weil Iran der wichtigste Sponsor von Terrorismus in der Welt sei und als "eine treibende Kraft für Instabilität und Tod" agiere. Mit der immer offeneren Zustimmung für eine militärische Option als allerletzte Lösung liegt der Demokrat auf einer Linie mit republikanischen Amtskollegen, unter ihnen der als Präsidentschaftskandidat für das Jahr 2008 geltende Senator John McCain. Dieser erklärte am Wochenende, Iran stelle mittlerweile eine größere Gefahr für die USA dar als es der Irak jemals gewesen sei, und diese Gefahr "muss reduziert werden". Die Amerikaner müssten sich deshalb zunächst auf einen starken Anstieg der Ölpreise als Folge möglicher Sanktionen des UN-Sicherheitsrats oder westlicher Nationen gegen Teheran einstellen, konstatierte der Republikaner. "Wir würden aber verrückt sein, wenn wir eine Militäraktion ausschließen würden", sagte McCain, der den Konflikt mit Teheran als "bedrohlichste Situation seit dem Ende des Kalten Krieges" einstuft - abgesehen vom Kampf gegen den Terrorismus. Falls Russland und China sich gegen Sanktionen sträubten, müssten sich nach McCains Ansicht die USA andere westliche Verbündete suchen. Debatte erinnert an Monate vor der Irak-Invasion

Wesentlich schlimmer als ein Militäreinsatz gegen die Atomanlagen sei allerdings die Vorstellung eines mit Nuklearwaffen ausgestatteten Iran. Die Frage, ob Washington angesichts des personal- und materialintensiven Engagements im Irak in der Lage sei, eine weitere militärische Front zu öffnen, beantwortete am Wochenende Bush-Parteifreund Trent Lott. Der Senator wies in einem Fernsehauftritt darauf hin, man verfüge über ausreichend Kapazitäten. Das wurde als Hinweis darauf verstanden, dass für eine gewaltsame Ausschaltung der Nuklearfabriken vorwiegend die Luftwaffe und ferngesteuerte Raketen benötigt werden würden. Doch auch Lott sprach sich dafür aus, "zunächst andere Optionen" zu verfolgen. Die Diskussion in den USA erinnert derzeit stark an die Monate vor der Irak-Invasion. Damals hatte sich ebenfalls auf Seiten von Kongress-Politikern eine starke Unterstützung für ein militärisches Handeln des Präsidenten abgezeichnet. Die offizielle Linie des Weißen Hauses ist derzeit an der Formulierung von Außenministerin Condoleezza Rice ablesbar, die am Tag des Merkel-Besuchs in Washington darauf hingewiesen hatte, eine militärische Lösung sei "noch nicht" Bestandteil der Diskussionen innerhalb der US-Regierung. Bush selbst hatte es stets ablehnt, einen möglichen Militärschlag grundsätzlich auszuschließen, und darauf verwiesen, ein Präsident müsse sich "alle Optionen offen halten".

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