Argusauge sucht Sparziel

MAINZ. Der Finanzminister zieht die Notbremse: Gernot Mittler verhängte mit sofortiger Wirkung eine Haushaltssperre für alle Ressorts. Eine Deckungslücke von bis zu 550 Millionen Euro droht.

Fünf Monate nach Verabschiedung des Nachtragsetats tritt der Haushälter des Landes erneut auf die Ausgabenbremse. "Mit Argusaugen" will Finanzminister Mittler (SPD) nach der verfügten Haushaltssperre darüber wachen, was die Ministerien noch an Geld ausgeben dürfen. Alle Ausgaben müssen ab sofort von seinem Ministerium genehmigt werden. Die mehr als eine halbe Milliarde Euro schweren Haushaltsrisiken liegen vor allem in zwei Bereichen: Nach einem "fühlbaren Steuerplus" in der ersten Jahreshälfte fließen die Einnahmen momentan deutlich dünner. Zum Jahresende kann sich ein Einnahme-Fehlbetrag von 200 bis 300 Millionen Euro auftürmen. Angesicht anhaltender Konjunkturflaute wachsen aber auch die Risiken bei den Ausgaben, wie etwa in den Bereichen Jugendhilfe, Wohngeld oder Sozialhilfe. Weil viele Haushaltsansätze im Nachtragsetat stark nach unten gesetzt wurden, droht nun ein Loch von 100 bis 250 Millionen Euro. Mittler will zwar die "Zügel weiter anziehen", doch ist bisher nicht zu sagen, wie viel an Einsparungen noch zu erreichen ist. Zum einen sind Investitionen, die die Konjunktur beleben, und die Landesbetriebe für Straßen, Immobilien und Forsten ausgenommen. Zum anderen dürften die verfügbaren Finanzmittel der Ministerien größtenteils bereits "unter die Leute" gebracht worden sein. Auch Mittler weiß daher, dass die Deckungslücke weitgehend über eine höhere Neuverschuldung geschlossen werden muss. Die Kreditaufnahme liegt bisher für dieses Jahr bei 1,1 Milliarden Euro. Äußerst zurückhaltend reagierte Mittler auf Äußerungen des FDP-Abgeordneten Jürgen Creutzmann. Der hatte in bezug auf den Haushaltsentwurf 2004 kritisiert: "Das Land könnte mehr sparen." Der haushaltspolitischer Sprecher des Koalitionspartners FDP hat Kürzungen von knapp 60 Millionen Euro im kommenden Jahr angemahnt, um die Neuverschuldung unter die von der Verfassung vorgegebene Grenze zu drücken. Sparpotentiale im Haushalt, auch im FDP-geführten Wirtschaftsministerium, sind nach Creutzmanns Überzeugung noch ungenutzt.Deftige Kritik aus den eigenen Reihen

Zudem könnten Straßenbauprojekte gestreckt werden. Auch bei der Informationstechnologie seien Millionen zu sparen. Creutzmanns Vorschläge seien "wahrscheinlich gut gemeint, aber neben den Fakten", kommentierte Mittler, der sich jedoch grundsätzlich für Sparvorschläge offen zeigte. Deutlich auf Distanz zu Creutzmann ging auch die eigene Fraktion. Als "Einzelmeinung privater Natur" bezeichnete Vorsitzender Werner Kuhn den Vorstoß seines Kollegen. Die SPD verkniff sich verstimmt jeden Kommentar. Die CDU warf Mittler vor, mit der Haushaltssperre eine lange absehbare Hiobsbotschaft zu verkünden. Mit dem Nachtragsetat sei versäumt worden, den Etat nachhaltig zu entlasten. Für 2004 ist der nächste Schiffbruch zu erwarten, wie der Abgeordnete Hans-Josef Bracht erklärte. Auch aus Sicht der Grünen zeigt sich, dass der Nachtragshaushalt auf Sand gebaut worden ist. Es fehle an Sparanstrengungen, kritisierte Fraktionschefin Ise Thomas.

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