Arzt wird zum Lotsen

TRIER. Knapp 30 000 Zuckerkranke in Rheinland-Pfalz haben sich in so genannte Chroniker-Programme eingeschrieben. Sie erhalten dadurch eine verbesserte Versorgung und Behandlung.

Die einen locken damit, dass die Versicherten weniger Beiträge zahlen müssen, die anderen versuchen, ihren Mitgliedern das Programm mit der Befreiung von der Praxisgebühr schmackhaft zu machen. Die so genannten Chroniker-Programme oder neudeutsch Disease-Management-Programme (DMP) sollen die Behandlung etwa von Diabetes-Kranken verbessern. Ärzte und Patienten arbeiten stärker zusammen. Ein Arzt koordiniert alle Behandlungsschritte. Er schickt sie regelmäßig zur Augen-Untersuchung, zum Internisten oder Orthopäden. Er überwacht ständig Blutzucker und Blutdruck. Kurz: Er hat den Überblick über den Gesundheitszustand des Zucker-Kranken. Damit lehnen sich die Programme eng an das von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und einigen Kassen favorisierte Hausarztmodell an: Der Arzt des Vertrauens wird zum Lotsen für den Patienten. Zuvor müssen sich die Patienten aber bei ihrer Kasse für dieses Programm anmelden. Knapp 30 000 Versicherte von Ersatz-, Betriebs- und Innungskassen in Rheinland-Pfalz haben sich bereits eingeschrieben. Im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Trier sind es rund 3000 Diabetes-Patienten, die sich daran beteiligen. Doch während die Zuckerkranken bisher weit gehend selbst entscheiden konnten, wann sie zum Arzt gehen und welche Untersuchung und Behandlung sie machen lassen, wird von allen DMP-Teilnehmern eine größere Eigenverantwortung verlangt. Sie erhalten einen Behandlungsplan, suchen sich eine Schwerpunktpraxis aus, die die Behandlung koordiniert, müssen an Schulungen etwa über Ernährung teilnehmen.Programme sind mehr als nur Kundenfang

"Wir erinnern unsere DMP-Teilnehmer regelmäßig daran, wann die nächste Untersuchung ansteht", berichtet Christa Swanson von der Barmer Ersatzkasse in Trier. Ihr Chef, Norbert Dixius, sieht in den DMP-Programmen mehr als nur eine Möglichkeit, für die Teilnehmer Beitragsrückerstattungen zu ermöglichen oder ihnen, wie es einige Kassen tun, die Praxisgebühr zu erlassen. "Damit wird die Behandlungsqualität erheblich verbessert. Wer an den Programmen teilnimmt, erhält eine Behandlung über den gesetzlich vorgegebenen Mindeststandard hinaus", so der Chef der Trierer Barmer-Niederlassung. Ärzte, die sich an den Programmen beteiligen wollen, müssen sich schulen lassen. 80 Stunden dauert der Spezialkurs für die Hausärzte. Knapp 30 Prozent der rund 700 niedergelassenen Mediziner in der Region haben sich bereits entsprechend fortgebildet, bis Ende des Jahres sollen es etwa die Hälfte sein. Doch die Weiterbildung ist das eine. Um eine möglichst optimale Behandlung zu gewährleisten, muss jeder Schritt auch dokumentiert werden. Alle Daten werden in einer neutralen Stelle gesammelt und verwaltet. Für die 30 000 Teilnehmer im Land geschieht dies in der DMP-Datenstelle in Trier. Vor dieser Dokumentation schrecken viele Ärzte offenbar zurück. Von "überbordender Bürokratie" und Unstimmigkeiten zwischen Hausärzten und der Schwerpunktpraxis, die alle Fäden der Behandlung in der Hand hält, ist die Rede. Der Unmut bei den niedergelassenen Ärzten wachse, schrieb die Ärztezeitung vergangene Woche. Trotzdem spricht man auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung Trier von einer Verbesserung der Behandlungsqualität für Diabetes-Patienten. Diabetes ist nur der erste Schritt bei den DMP. Bis Ende des Jahres soll es auch für Brustkrebs-Erkrankungen ein ähnliches, bundesweites Programm geben.

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