Auf die Bescherung folgt die Ernüchterung

Auch wenn die Bundesregierung pünktlich zum Weihnachtsfest ein Geschenkpaket für Familien (mehr Kindergeld), Erben, Unternehmen und Hotelbesitzer (Steuererleichterungen) auf den Gabentisch legt - die Ernüchterung kommt spätestens zur Jahresmitte 2010.

Berlin. Bis Mitte des kommenden Jahres will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen milliardenschweren Sparkatalog erarbeiten, um das strukturelle Haushaltsdefizit mit der Schuldenbremse in Einklang zu bringen, zu der sich Bund und Länder verpflichtet haben. Der abrupte Kurswechsel vom Geben zum Nehmen dürfte im neuen Jahr noch für politischen Zündstoff sorgen.

Was ist ein strukturelles Haushaltsdefizit?

Fachleute unterscheiden zwischen einer konjunkturellen und einer strukturellen Verschuldung. Letztere ist unabhängig von der wirtschaftlichen Lage. Das heißt, selbst bei einem ordentlichen Wachstum werden die Ausgaben nicht durch laufende Einnahmen gedeckt. Im kommenden Jahr will sich der Bund für seinen Haushalt rund 86 Milliarden Euro von den Banken borgen. Den Anteil des strukturellen Defizits beziffert der Bundesfinanzminister auf 70 Milliarden Euro. Damit ginge lediglich eine Kreditbedarf von 16 Milliarden Euro direkt auf die Konjunkturkrise zurück.

Wie funktioniert die Schuldenbremse?

Von 2016 an darf der Bund nur noch Kredite in Höhe von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen. Das wären nach heutigem Stand zehn Milliarden Euro. Maßgebend dabei ist das strukturelle Defizit. Bei Konjunktureinbrüchen darf es also auch mehr sein, wobei die höheren Schulden in guten Wirtschaftsphasen wieder abgebaut werden müssen. Aus dem von Schäuble bezifferten Strukturdefizit von 70 Milliarden Euro ergibt sich zwingend, dass der Bund ab 2011 jährlich zehn Milliarden Euro einsparen muss, um 2016 bei besagter Neuverschuldungsgrenze von 0,35 Prozent zu landen.

Welche Sparüberlegungen gibt es?

Offiziell hält sich die Regierung noch bedeckt, was nicht nur an Weihnachten liegt, sondern auch an der Landtagswahl in Nordhrein-Westfalen, die im Mai 2010 stattfindet. Vorerst soll niemand verunsichert werden. In Koalitionskreisen wird aber längst über einen Abbau von Subventionen und eine Erhöhung der Sozialabgaben diskutiert. Die Subventionen reichen von der Steuerfreiheit für Feiertags- und Nachtzuschläge der Arbeitnehmer bis zur Ökosteuerbefreiung für Betriebe. Der Staat lässt sich die Vergünstigungen pro Jahr rund 21 Milliarden Euro kosten. Rein rechnerisch müssten alle Subventionen halbiert werden, um der Schuldenbremse zu genügen.

Droht eine Erhöhung der Sozialabgaben?

Eine Erhöhung der Sozialabgaben hätte für den Bund den Charme, dass er kurzfristig Milliarden sparen könnte. Allein die Arbeitslosen- und die Krankensversicherung erhalten im kommenden Jahr Steuerzuschüsse von gut 31 Milliarden Euro. Jede Milliarde weniger ginge aber direkt zulasten der Beitragszahler. Laut Koalitionsvereinbarung sollen die "paritätisch finanzierten" Beiträge bei "unter 40 Prozent" vom Bruttolohn bleiben. Derzeit summieren sich die hälftig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierten Beiträge für die Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung auf 38,65 Prozent. So gesehen ist politisch noch Luft für Beitragserhöhungen.

Kann die Koalition trotzdem Steuern senken?

Es klingt verrückt, ist aber wahr: Gerade weil die Koalition viele Schulden macht, kann sie auch weitere Steuersenkungen auf Pump beschließen. Je höher der Ausgangswert bei der Neuverschuldung im Jahr 2010 ist, desto höher dürfen absolut betrachtet auch in den Folgejahren die aufgenommenen Kredite sein. Das Problem ist allerdings, dass auch der Abbaupfad bis 2016 deutlich steiler nach unten führen muss. Die jährlichen Einsparungen wirken dann umso schmerzhafter.

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