"Aus Jux und Dollerei" gelogen

Weil sie ihre eigene Entführung vorgetäuscht hat, muss eine 28-jährige Frau aus Konz (Kreis Trier-Saarburg) für 14 Monate ins Gefängnis. Das hat gestern das Trierer Amtsgericht entschieden. Ein 44 Jahre alter Bekannter der Frau kam mit einer einjährigen Bewährungsstrafe davon.

 Die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern Stefan Kuhl (links) und Günther Brix. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern Stefan Kuhl (links) und Günther Brix. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Trier. Es ist eine absurde Vorstellung: Während in Trier eine Hundertschaft Polizisten nach einer vermeintlich gewaltsam entführten jungen Frau sucht, sitzt das angebliche Opfer gemeinsam mit einem Freund in dessen Frankfurter Wohnung, trinkt Kaffee und raucht eine Zigarette. Wenig später setzen sich die beiden Auslöser des polizeilichen Großeinsatzes in den Zug und fahren nach Hamburg, wo eine jener unsäglichen Krawall-Talkshows aufgezeichnet werden soll, die nachmittags auf den Privatkanälen zu sehen sind. Dieses Mal geht es um "Lügen und wie man Lügner entlarvt", ein Thema, für das die Angereisten ohne jeden Zweifel Experten sind: Die 28-jährige Konzerin und ihr 16 Jahre älterer Bekannter aus Frankfurt sind beide wegen Betrugs mehrfach vorbestraft und darüber hinaus ziemlich pleite - und zwar chronisch. Das hat erst ein paar Monate zuvor dazu geführt, dass das zumindest zeitweise liierte Pärchen um Mitternacht die Trie rer Polizei anrief und einen angeblichen Überfall meldete. Sie seien im Vorraum einer Bank von zwei bewaffneten und maskierten Männern überfallen und ausgeraubt worden. Nichts davon stimmte. Was hätte ein Räuber den beiden Mittellosen auch abnehmen sollen? Das fiel natürlich auch den Polizisten auf. Als die Beamten anmerkten, dass der Überfall dann ja von der Überwachungskamera aufgezeichnet worden sei, gestanden die vermeintlichen Opfer ein, die Räuberpistole erfunden zu haben. Den Hintergrund offenbart die 28-Jährige am Montag vor dem Trierer Amtsgericht: Sie erhofften sich, von der Polizei nach Hause gefahren zu werden. Fürs Bus-Ticket nämlich fehlte ihnen das Geld.Dem ersten frei erfundenen Überfall folgte sechs Monate später der nächste: Dieses Mal wurde die 28-Jährige angeblich von einem bewaffneten Mann zunächst bedroht und dann im Kofferraum seines Wagens entführt und dort festgehalten. Die Trierer Polizei löste Großalarm aus, bis sich auch dieses vermeintliche Verbrechen als Lüge herausstellte."Da ist man doch nur der Doofi"

"Aus Jux und Dollerei" hätten sie damals die Polizei an der Nase herumgeführt, sagt die 28-jährige Angeklagte gestern vor Gericht. Die Vita der Frau ist ähnlich düster wie die ihres mitangeklagten Bekannten. In einem anderen Verfahren hat ein Gutachter festgestellt, dass die fünffache Mutter, deren Kinder alle bei Pflegeeltern leben, geistig zurückgeblieben ist. "Um das zu merken, benötigt man keinen Sachverständigen", sagt der Vorsitzende Richter Helmut Reusch, der brillant verhandelt: Er führt die Angeklagten nicht vor, was ein Leichtes gewesen wäre. Und Reusch redet so, dass die beiden dem Gesagten auch folgen können, was oft nicht ganz einfach ist. Was an diesem Tag für den Vorsitzenden Richter gilt, gilt auch für Staatsanwalt Wolfgang Bohnen, der auf Fensterreden verzichtet und in seinem Plädoyer stattdessen sagt: "Sie wussten, dass das verboten ist." Eine Aussage, die auch die vermindert schuldfähigen Angeklagten verstehen.Am Ende des rund zweieinhalbstündigen Prozesses liest nur der Vorsitzende Richter seinen beiden "Klienten" noch etwas die Leviten. "Wenn noch so ein Mist kommt, rücken Sie ein", sagt Reusch an die Adresse des 44-jährigen Frankfurters, der mit einer Bewährungsstrafe davonkommt. Und der nur vorübergehend auf freien Fuß gesetzten Konzerin rät Reusch: "Und lassen Sie die Teilnahme an diesen Fernseh-Talkshows sein. Da ist man doch nur der Doofi und wird vorgeführt." An diesem Tag im Trierer Amtsgericht war das anders.

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