Aus dunkler Geschichte lernen

MAINZ/HINZERT. Extremismus, Gewalt oder der Umgang mit Minderheiten: Für aktuelle Themen will Dieter Schiffmann, neuer Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, Gedenkstätten zu pädagogischen Lernorten entwickeln. Nur geschichtliches Wissen zu vermitteln, reicht aus seiner Sicht nicht.

Ein besonderes Herzensanliegen hat Dieter Schiffmann als Chef der Landeszentrale von seinem Vorgänger Hans-Georg Meyer übernommen: den Einsatz für die Gedenkstätten des Nazi-Regimes. Läuft alles nach Plan, wird im Mai mit der Montage der Stahlhülle für das Dokumentationszentrum am ehemaligen SS-Sonderlager/KZ-Hinzert im Hochwald begonnen. Im Dezember könnte die Gedenkstätte für das Leid von 13 000 Gefangenen und mehr als 300 Ermordeten 60 Jahre nach Ende des Weltkrieges eingeweiht werden. Am 27. Januar 2006 will sich dann der Landtag zum Gedenktag für die Opfer der NS-Herrschaft in Hinzert versammeln, so der 56-jährige frühere SPD-Landtagsabgeordnete im Gespräch mit dem TV. Neben der Gedenkstätte für das ehemalige KZ im rheinhessischen Osthofen kommt auch Hinzert künftig in der Gedenkstättenarbeit eine besondere Rolle zu. Rechtsextremismus, Gewalt und der Umgang mit Minderheiten sind brandaktuelle Themen, weiß der promovierte Historiker und Politikwissenschaftler. Gedenkstätten als Lernorte

Er will in den Gedenkstätten nicht nur geschichtliches Wissen "wider das Vergessen" vermitteln, sondern sie zu pädagogischen Lernorten werden lassen. Nach der Fertigstellung der Ausstellung im Jahr 2003 ist Osthofen bereits wegen regen Besucherandrangs an seine Kapazitätsgrenze gekommen. Über mehr Personal wird verhandelt, um auch Schulklassen und Gruppen zielgerichtet ansprechen zu können. Für die Dauerausstellung im Dokumentationszentrum Hinzert werden dagegen noch Fotos, Dokumente und Gegenstände zur Geschichte des Lagers und der Gefangenen gesucht. Keine Frage ist es für Schiffmann, dass Osthofen und Hinzert zu den authentischen Orten der Verfolgung mit herausragender Bedeutung gehören, die demnächst unter das verschärfte Versammlungsrecht gezählt werden, um dort Aufmärsche von Rechtsextremisten und Neonazis zu verbieten. Rund 40 Prozent des Haushalts der Landeszentrale in einer Gesamthöhe von 2,5 Millionen Euro fließen in die Gedenkstättenarbeit. Das Interesse der Jugend an Politik zu verstärken und Europa nachhaltig auf die Agenda der Landeszentrale zu setzen, sind für den Ex-Abgeordneten und Europa-Experten Schiffmann besondere Herausforderungen. Auch wenn ein Großteil der Arbeit vor allem auf Vermittler in Schulen und Erwachsenenbildung abzielt, gilt es ein Jahr vor der Landtagswahl, Erst- und Jungwähler zu motivieren. "Juniorwahlen" in Schulen oder das Projekt "Wahl-o-mat", das Internet-Nutzer auf lockere Weise testen lässt, mit welcher Partei sie am meisten übereinstimmen, sind laut Schiffmann gute Ansätze auf weniger traditionelle Art Zugang zu Jugendlichen zu finden. Vor allem will er auch Menschen ansprechen, die nicht mehr am politischen Leben teilnehmen, nicht zuletzt aus sozial schwachen Schichten. Und dann sind da noch die vielen Bürger, bei denen es gilt, gegen Ängste und Desinteresse an der europäischen Einigung aktiv zu werden. Dabei kann Schiffmann all das anpacken, was ihn an dem neuen Direktoren-Job reizt: Akzente setzen, Themen anschieben und sich auch politisch auf das Grundsätzliche zurück zu besinnen.

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