BUNDESREGIERUNG

BERLIN. "Es wird noch viele Gespräche geben müssen", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) unmittelbar nach dem fruchtlosen Spitzentreffen seiner Partei zur umstrittenen Ausbildungsplatzumlage Sonntagnacht. Auch am Montag lag keine Einigung in der Luft - im Gegenteil.

An Gesprächen über das Reizthema Ausbildungsabgabe mangelte es am Montag nicht. Erst traf sich der Vorstand der Sozialdemokraten, danach arbeitete sich der Parteirat an der geplanten Strafzahlung ab. Wieder ohne greifbaren Fortschritt. Nur der Ton ist schärfer geworden. Ginge es nach dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, dann könnten sich die Parteifreunde alle weiteren Unterredungen sparen: "Das Gesetz kommt auf jeden Fall", verkündete der Obergenosse gestern Morgen via Frühstücksfernsehen. Ähnlich war seine Haltung auch hinter den verschlossenen Türen im Berliner Willy-Brandt-Haus. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Peer Steinbrück, der sich am lautstärksten gegen eine Lehrstellenabgabe ins Zeug legt ("ein Wahnsinnsbürokratiemechanismus"), war nicht bei den Gremiensitzungen dabei. Die Kritik wurde vom Düsseldorfer SPD-Landeschef Harald Schartau vorgetragen, der sich dafür Vorhaltungen gefallen lassen musste, Parteitagsbeschlüsse zur Lehrstellenabgabe zu missachten. Solche Vereinbarungen seien auch von Ministerpräsidenten einzuhalten, forderte der saarländische SPD-Landesvorsitzende Heiko Maas. Mit nur zwei Gegenstimmen gab der Parteirat Rückendeckung für Münteferings Gesetzeslösung. Zur Erinnerung: Angesichts von 35 000 fehlenden Ausbildungsplätzen im vergangenen Jahr und einer womöglich noch größeren Lehrstellenlücke 2004 hat Rot-Grün ein "Berufsausbildungssicherungsgesetz" entworfen, das bereits in erster Lesung im Bundestag behandelt wurde. Danach wird eine Abgabe fällig, wenn die Zahl der Lehrstellen die Anzahl der Bewerber nicht mindestens um 15 Prozent übersteigt. Zur Kasse werden Betriebe mit über zehn Beschäftigten gebeten, deren Belegschaft weniger als sieben Prozent Lehrlinge aufweist. Steinbrück und sein Mainzer Kollege Kurt Beck sowie die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) befürchten dabei unerträgliche Belastungen für die Wirtschaft. Sie setzen auf freiwillige Lösungen, die im Gesetz durch regionale Öffnungsklauseln verankert werden könnten. Mit einem solchen Passus ist die Vorlage aber von vornherein Makulatur, weil sie im Bundesrat zustimmungspflichtig würde und die Unionsmehrheit bereits ihr "Nein" bekundet hat.Kompromissvorschlag nicht diskutiert

Aber auch die zustimmungsfreie Lösung könnte scheitern. Schließt sich nur Nordrhein-Westfalen den Unionsländern an, wäre schon eine Zwei-Drittel-Mehrheit bei der Ablehnungsfront erreicht, die Rot-Grün im Bundestag nicht überstimmen kann. Als Kompromiss regte Regierungschef Beck gestern einen gemeinsamen Fonds von Staat und Wirtschaft an. Das sei ein gangbarer Weg, "wenn es sein muss, auch mit Steuermitteln, um in den Ländern, in denen es nicht geschafft wird, dann überbetriebliche Ausbildungsplätze zu finanzieren". Im Vorstand wurde die Idee nicht thematisiert. Bei SPD-Chef Müntefering wollte jedenfalls keine Begeisterung aufkommen. Auch die Industrie zeigt sich unversöhnlich. "Den Lösungsansatz, mehr Ausbildung durch finanzielle Umverteilung zu schaffen, lehnen wir ab", hieß es in Verbandskreisen. Der Gesprächsbedarf ist also weiter groß. Morgen will Müntefering mit Spitzenvertretern der Wirtschaft über die Lehrstellenmisere debattieren. Am Freitag findet eine Expertenanhörung zur Ausbildungsplatzabgabe statt. Danach, so SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter, werde man die Vorlage sicher "in der einen oder anderen Frage noch verfeinern".

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