Bauern fühlen sich auf Augenhöhe

Die deutschen Milchbauern haben ihren Kampf für höhere Milchpreise erfolgreich beendet. Nach Lidl hätten am Donnerstag alle anderen größeren Unternehmen des deutschen Lebensmitteleinzelhandels Neuverhandlungen über die Milchpreise angekündigt, teilte der Deutsche Bauernverband (DBV) mit.

Mainz. (win/dpa) DBV-Präsident Gerd Sonnleitner sagte in München, auch Aldi habe angekündigt, sich der Entwicklung am Markt anschließen zu wollen. Die Verhandlungen mit Edeka stünden kurz vor dem Abschluss. "Dieser Durchbruch ist für alle Milchbauern in Deutschland ein dringend notwendiger und durchaus vorzeigbarer Erfolg", sagte Sonnleitner. Das Engagement des Discounters Lidl habe Bewegung in die Verhandlungen gebracht. Jetzt sei es durch die angekündigte Preisanhebung um zehn Cent je Liter Milch und 20 Cent je 250 Gramm Butter möglich, den in ihrer Existenz bedrohten Milchbauern aus einer schwierigen Krise zu helfen. Sonnleitner appellierte gleichzeitig an die Verbraucher, die Rückkehr zu den Milchpreisen von Anfang des Jahres 2008 mitzutragen. Zuvor hatte der Bundesverband der Deutschen Milchviehhalter (BDM) den Milchlieferstopp für beendet erklärt. Der BDM-Vorsitzende Romuald Schaber sagte auf einer Kundgebung mit Tausenden Bauern aus ganz Deutschland vor dem Brandenburger Tor in Berlin: "Ab sofort wird nichts mehr sein, wie es war. Wir Milchbauern sind endlich auf Augenhöhe angelangt." Mit dem Lieferstopp sei erreicht worden, dass der Lebensmitteleinzelhandel die Preise wieder anhebe. Derweil betonte Lidl, dass der mit den Bauern vereinbarte Milchpreis dauerhaft nur gezahlt werde, wenn auch andere Discounter dem Schritt in vollem Umfang folgten. Die Bereitschaft von Handelsketten, höhere Milchpreise zu zahlen, war zuvor am Donnerstag auch vom Mainzer Landtag einhellig begrüßt worden. Der Eifeler CDU-Abgeordnete und Landwirt Michael Billen zweifelt allerdings an einem längerfristigen Erfolg des aktuellen Lieferboykotts der Milchbauern.Verständnis und Kritik im Mainzer Landtag

Die Milchpreise sind zu niedrig: In dieser Einschätzung waren sich alle Parteien in der Landtagsdebatte einig. Zur Existenzsicherung der bäuerlichen Betriebe in den Mittelgebirgsregionen und damit auch zum Erhalt der Kulturlandschaft seien höhere Erlöse für die Milcherzeuger dringend notwendig, so der Tenor. Lieferboykott und die Vernichtung von Milch wurden als Zeichen purer Verzweiflung gewertet, die Blockade von Molkereien jedoch gleichzeitig verurteilt.Der CDU-Abgeordnete Michael Billen, selbst Milchproduzent, bezweifelt unterdessen, dass die von Handelsketten wie Lidl und Rewe zugesagten Preiserhöhungen längerfristig Bestand haben und durchschlagend Wirkung zeigen werden. Nur 20 Prozent der Milch würden über die handelsüblichen Packungen verkauft, so Billen. Entsprechend geringer fällt nach seiner Rechnung auch die Erhöhung um zehn Cent pro Liter auf die Gesamtproduktionsmenge der Bauern aus. Billen forderte, die Milchquoten über das von der EU beschlossene Ende ab dem Jahr 2013 hinaus beizubehalten, um die Produktionsmengen am Markt orientiert zu steuern und damit akzeptable Preise zu sichern.Landwirtschaftsminister Hendrik Hering (SPD) attackierte das Unternehmen Müller-Milch, dass seine Marktmacht genutzt habe, um die Preisspirale für Milch nach unten anzustoßen. Mit den um zehn und mehr Cent abgesackten Erlösen pro Liter und gleichzeitig gestiegenen Produktionskosten von sechs Cent gebe es für die Milchbauern keine Perspektive mehr, kritisierte Hering. Dieses Ausnutzen von Marktbeherrschung habe mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Das Land will die einzelbetriebliche Förderung verstärken und an den Ausgleichszahlungen für benachteiligte Regionen festhalten.Für die FDP schlug Günter Eymael eine zumindest teilweise Rücknahme der gekürzten Treibstoff-Förderung für die Landwirte vor. Die Erzeugerpreise für Milch müssen sich nach seiner Überzeugung langsam entwickeln, weil ansonsten der Markt Preissprünge nicht verarbeiten kann. Ebenso wie Billen monierte Eymael die mangelnde Solidarität unter den Bauern, die sich in den rechtswidrigen Blockaden der Molkereien gezeigt habe. Laut Hering gehört auch zur Wahrheit, dass der Strukturwandel unter den verbliebenen landesweit 2700 Milchviehbetrieben weitergehen wird - mit sinkenden Chancen für kleine Bauernhöfe. Ein Drittel der Betriebe hat bereits zwei Drittel der Kühe im Stall stehen.

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