"Befremdliche Sicherheit"

TRIER. Beim Prozess gegen die beiden Trierer "Posträuber" ging es weniger um den Diebstahl von über 50 000 Briefen und Paketen, vielmehr sitzt die Post auf der Anklagebank. Wegen laxer Sicherheitsvorkehrungen wurden die beiden Männer relativ mild bestraft.

Es ist schwer nachzuvollziehen, dass die Post den beiden Männern, die auf der Anklagebank sitzen, "kriminelle Energie" beim Diebstahl von weit über 50 000 Briefen und Päckchen unterstellt. Der 25-Jährige aus Salmtal wirkt eher wie ein naiver, unreifer Teenager, er kichert während der 20-minütigen Anklageverlesung von Staatsanwalt Sebastian Jakobs. Der wegen Diebstahls Vorbestrafte wirkt nicht wie jemand, der die Taten lange geplant hat. "Wir haben irgendwann damit angefangen", sagt er. Auch sein Komplize und ehemaliger Lebensgefährte, der 52-Jährige aus Bonn, vermittelt trotz seines Vorstrafenregisters, für dessen Vortrag die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz fast 45 Minuten braucht, nicht den Eindruck eines eiskalten Schwerverbrechers. Er legt ebenfalls ein umfassendes Geständnis ab, das sein Anwalt Thomas Mück aus Köln verliest.Die Taktik vor allem von Anwalt Erhard Zimmer aus Bitburg, der den Salmtaler vertritt, geht auf: "Jeder hätte das tun können." Die Post habe sie quasi zum Diebstahl verleitet. Und so sitzt dann plötzlich auch die Post auf der Anklagebank. Als die beiden Männern schildern, wie einfach es war, Postkisten oder Rollcontainer in den Lieferwagen zu schieben, ohne dass im Briefzentrum Frankfurt jemand davon etwas mitbekommen haben soll, schüttelt so mancher Zuschauer im Saal 130 des Trierer Landgerichts nur noch den Kopf. Der 52-Jährige, der seinen jüngeren Kumpel gar nicht hätte auf seinen Touren im Auftrag einer Trierer Spedition begleiten dürfen, bekam ohne Probleme die Ladepapiere. Nach einem Dienstausweis sei er nie gefragt worden, sagt er. Die Plomben, mit denen der Transporter nach dem Beladen verschlossen werden sollte, hätten "einfach so herumgelegen". Der Chef der Spedition habe sich auch nie für ein Führungszeugnis interessiert. Und das, obwohl die Post in ihren Vorschriften verlangt, dass die für sie tätigen Subunternehmer ihr die Führungszeugnisse vorlegt. Drei Mal seien Zeugnisse im vergangenen Jahr kontrolliert worden, sagt der Post-Sicherheitsbeauftragte.

Unbehelligt Ware nach Hause transportiert

Und beim Ausladen der für das Briefzentrum Trier bestimmten Boxen hat offensichtlich auch keiner bemerkt, dass in dem Lieferwagen noch Kisten stehen blieben, die die beiden unbehelligt zu sich nach Hause transportierten. Die im Briefzentrum installierten Videokameras seien nur "bei Bedarf" eingeschaltet, sagt der Sicherheitsmann der Post. Als ein anderer für die Post tätiger Transporteur den damals 24-Jährigen bittet, für ihn in den Vorweihnachtszeit die vielen Pakete in einer Post-Filiale in Trier-Süd zur Hauptpost in Trier zu fahren, kommen die beiden Angeklagten auf die Idee, auch die Pakete zu durchsuchen. Erst nachdem sich die Beschwerden über verschwundene Päckchen aus Trier-Süd häufen, wird man bei der Post hellhörig. Von den geklauten Containern aus Frankfurt weiß man bis dahin gar nichts. Das sei nicht aufgefallen, sagt der Sicherheitsbeauftragte. Mit anderen Worten: Die Angeklagten hätten wohl unbehelligt weiter machen können, wenn nicht die Polizei einen Zusammenhang zwischen den im November im Trier-Quinter Weiher aufgetauchten Briefen und den verschwundenen Paketen hergestellt hätte und auf den 25-Jährigen gekommen wäre.

Doch bei den Ermittlungen habe sich die Post wenig kooperativ gezeigt, habe nur zögerlich Unterlagen herausgerückt, sagt ein Polizist. Am Ende folgt das Gericht weitgehend dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß: Dreieinhalb Jahre für den Jüngeren und vier Jahre und drei Monate für den 52-Jährigen. Die "befremdlichen Sicherheitsvorkehrungen" der Post müssen zugunsten der Angeklagten ausgelegt werden, sagt die Richterin.

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